Die neue EU-Jugendstrategie und der EU-Jugendbericht
Evidenzbasierte Jugendpolitik der EU in der Analyse
14.12.2009 · Forschungsgruppe Jugend und Europa
Hans Steimle (BAG EJSA) führt den Vortrag von Eva Feldmann-Wojtachnia ein
Evidenzbasierte Jugendpolitik
In ihrem Hintergrundvortrag zum Thema "Evidenzbasierte Jugendpolitik: Welche Bedeutung hat der EU-Jugendbericht für die Praxis?" machte Eva Feldmann-Wojtachniazunächst deutlich, was der wissenschaftlich fundierte, strategische Politikansatz der "Evidenzbasierung" für die Jugendpolitik bedeutet: die neue EU Jugendpolitik stützt sich demzufolge künftig in der Bewertung von Problemen auf Beweise sowie konkrete Daten und Fakten der Jugendforschung. Grundlage für evidenzbasierte politische Entscheidungen sind somit empirische Untersuchungen und deren fachliche Auswertung und Evaluation. Relevante Instrumente einer solchen evidenzbasierten Politik sind in erster Linie die Etablierung von
- Indikatorsystemen zur Datengenerierung und
- ein komparatives Benchmarking zur Datenbewertung.
Hierbei war sich Eva Feldmann-Wojtachnia mit den Teilnehmern der Veranstaltung in der Diskussion einig, dass es in Zukunft Kernpunkt eines kritischen Diskurses sein muss, sich über das Indikatoren-Set zur Bewertung der jugendlichen Lebens- und Arbeitswelten europaweit und über die unterschiedlichsten Akteure der Jugendarbeit und Jugendpolitik hinweg zu verständigen.
Ziele des Jugendberichts
Eva Feldmann-Wojtachnia bewertete die in der EU Jugendstrategie festgelegten Ziele in Bezug auf den EU Jugendbericht als grundsätzlich positiv, denn:
- es wird künftig die jugendpolitische Zusammenarbeit durch EU-weite und relevante Daten zur Lage Jugendlicher in den Mitgliedstaaten unterstützt und
- es werden politische Entscheidungen zur Verbesserung der Lebens- und Ausbildungssituation Jugendlicher in der EU nun alle drei Jahre durch die Vorlage eines Jugendberichts evidenzbasiert vorbereitet.
Nach Einschätzung der Referentin wird hierdurch mehr Verbindlichkeit in den strategischen Zielen angestrebt und ein intensiverer Fachaustausch angelegt.
Aufbau und Inhalte
Nachfolgend stellte Eva Feldmann-Wojtachnia ausführlicher Aufbau und Inhalt des Jugendberichts ein. In fünf Kapiteln, insgesamt auf knapp 100 Seiten wird versucht, die aktuelle Situation Jugendlicher in der EU umfassend darzustellen.
Diagramme, Definitionen bzw. ein Glossar, Schaubilder, Infokästen, Schlüsseldaten/Indikatoren beleuchten inhaltlich
- die demographische Situation in der EU,
- den Übergang von der Ausbildung zur Beschäftigung,
- Aspekte aktiver Bürgerschaft (Partizipation) Jugendlicher und
- ihren Lifestyle (Familie, Gesundheit, Drogen, Freizeit, digitale Lebenswelten).
Abschließend gibt der Bericht einige Handlungsempfehlungen, welche sich einerseits an die politischen Akteure der Jugendpolitik, andererseits an die Multiplikatoren der Jugendarbeit richten.
Positive Aspekte
In ihrer nachfolgenden Analyse hob Eva Feldmann-Wojtachnia zunächst die grundsätzlich positiven Aspekte hervor. Sie wies darauf hin, dass in jedem Fall bei der Bewertung in Betracht gezogen werden muss, dass es sich hier um allererste Schritte der neuen Jugendpolitik handelt, die selbstverständlich in zahlreichen Punkten ausbaufähig sein wird. Dennoch sind bereits jetzt die bessere Verzahnung von Wissenschaft und Politik, die höhere Transparenz von politischen Entscheidungen, die Harmonisierung und Kohärenz in der Jugendpolitik und die Aufwertung der Jugendpolitik als EU relevantes Handlungsfeld als positive Schritte in die richtige Richtung einzuschätzen. Mit dem EU-Jugendbericht wird ihrer Ansicht nach ein Grundstein für einen "Youth Mainstreaming" Ansatz der EU gelegt und erstmals hierzu ein Set an jugendrelevanten Indikatoren vorgelegt.
Petra Kammerevert (MEP), Mitglied im Ausschuss CULT des EP und Klaus Waldmann (Ev. Trägergruppe) diskutieren den evidenzbasierten Ansatz der EU-Jugendpolitik und die Rolle der Politiker.
Schwachstellen
Jedoch weist der EU-Jugendbericht noch zahlreiche Schwachstellen auf. So enthält er entschieden zu viele EU-weite Mittelwerte, die unkommentiert bleiben und in ihrer Allgemeinheit keine große Aussagekraft besitzen. Auch fehlt es an Differenzierung der zusammengetragen Daten: jugendrelevante Inhalte und jugendliche Lebensbereiche werden nur angerissen und bleiben dadurch oberflächlich. Hier wäre ein besserer Rückbezug auf die Quellen der zitierten Daten nötig. Auch wird "Jugend" weitgehend unter nur sozioökonomischen Aspekten betrachtet. Ebenso fehlt die Jugendpolitik selbst als Untersuchungsgegenstand, ähnlich wie der Einbezug der Sichtweise Jugendlicher. Die Handlungsempfehlungen am Ende des Berichts sind eindeutig zu allgemein gefasst und in ihrer Aufteilung an zwei unterschiedliche Zielgruppen (politisch Verantwortliche einerseits und Praktiker der Jugendarbeit andererseits) nicht aufeinander abgestimmt. So ist der Jugendbericht insgesamt als eine erste, teilweise oberflächliche Datensammlung zu begreifen, der bislang noch kaum Analyse folgt. Dies wiederum, so stellten die Referentin und die Teilnehmer der Tagung übereinstimmend fest, sei jedoch letztlich als Chance zur konstruktiven Mitwirkung aufzufassen.
Zentrale Kritikpunkte und Fazit
Abschließend fasste Eva Feldmann-Wojtachnia ihre Analyse des EU-Jugendberichts in vier zentralen Kritikpunkten zusammen:
- Diskussionsdefizit,
zu starke Ergebnis- und output Orientierung des EU-Jugendberichts aufgrund von fehlender inhaltlicher Diskussion der Daten.
- Theoriedefizit,
eine theoretische Fundierung sowie Datenanalyse fehlt bislang (Bezugswissenschaften sind unklar), daher kaum Ansatzpunkte zur politischen Wertorientierung der EU Jugendpolitik möglich.
- Partizipationsdefizit,
Ein Bericht über die Jugend, die Sichtweise Jugendlicher ist nicht berücksichtigt. Ebenso unklar bleibt, inwieweit bestehende nationale Forschungseinrichtungen und Forschernetzwerke in die Entstehung des EU-Jugendberichts einbezogen wurden.
- Erkenntnisdefizit
Der Vielschichtigkeit des Erkenntnisgewinns wird durch fehlenden Einbezug der unterschiedlichen Akteure bisher kaum Rechnung getragen (Handlungswissen, pol. Wissen, Peer-"Insider"wissen).
Im Fazit ihres Vortrags betonte Eva Feldmann-Wojtachnia mit Blick auf den geforderten "Praxistest", ein solcher bedeute, die Ziele der EU Jugendstrategie und die nötige Unterstützung zur Umsetzung auf allen Ebenen seitens Jugendarbeit und Wissenschaft einzufordern und mit Leben zu füllen! Denn, so schloss sie ihre Ausführungen: Europa ist nicht nur eine Verordnung irgendwo in Brüssel, sondern eine Idee, die es sich lohnt, aktiv mit zu gestalten ...
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Publikation der Forschungsgruppe Jugend und Europa zum Strukturierten Dialog
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