Verfolgt, entschädigt vergessen?
Jörg Siegmund zur Lage der Opfer des DDR-Unrechts
12.05.2009 · C·A·P
Im Mittelpunkt seiner Ausführungen standen jedoch die Wiedergutmachungsgesetze, die die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer des DDR-Unrechts regeln. Anhand von einzelnen Aspekten dieser Gesetze und Beispielen aus dem Vollzug konnte Jörg Siegmund verdeutlichen, worin die Stärken und Schwächen der gegenwärtigen Wiedergutmachungsbemühungen liegen. So weisen vor allem der Umgang mit verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden, aber auch die Leistungen für verfolgte Schüler noch deutliche Defizite auf.
Da die Wirkung der Wiedergutmachung auch von anderen Facetten der Aufarbeitung des DDR-Unrechts beeinflußt wird, analysierte der Referent im dritten Teil des Vortrags die gesellschaftliche Lage der Opfer in einem breiteren Kontext. Hierbei ging er vor allem auf den heutigen Umgang mit den Herrschaftsträgern des Unrechtsregimes und die Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur in Wissenschaft und Medien ein. Sein ernüchterndes Fazit: Trotz vielfältiger Bemühungen um historische Aufarbeitung und eine angemessene Würdigung des Schicksals der Opfer hat sich bei vielen von ihnen Ernüchterung, ja geradezu Verbitterung breit gemacht. Sie fühlen sich 20 Jahre nach dem Fall der Mauer erneut an den gesellschaftlichen Rand gedrängt, benachteiligt und vergessen.
In der anschließenden Diskussion mit Elif Özmen vom Kulturforum und den Zuhörern schilderte eine Betroffene, die in der DDR aus politischen Gründen inhaftiert war und anschließend in die Bundesrepublik übersiedeln konnte, wie sehr sich das Interesse an der DDR-Diktatur gewandelt hat. Konnte sie in den 1980er Jahren noch in zahlreichen Schulen über ihre Erfahrungen mit dem Unrechtsregime berichten, findet sie damit heute keine Resonanz mehr. Andere Diskussionsteilnehmer wiesen darauf hin, dass nicht nur die politische Verfolgung, sondern die gesamte DDR-Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart in vielen Diskursen, beispielsweise im kulturellen Bereich, ausgeblendet würden. In mehreren Wortmeldungen wurde das daraus resultierende gesellschaftliche Erinnerungsdefizit beklagt und vor den Folgen eines solchen kollektiven Vergessens gewarnt. Allerdings blieb die Frage nach den Ursachen dieser Geschichtsblindheit trotz teils kontroverser Debatten auch beim Kulturforum letztlich offen.
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