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Benchmark in Israel

Gesundheitstelematik wird immer wichtiger - Delegation informiert sich über das israelische Gesundheitssystem

08.10.2007 · C·A·P



Informations- und Kommunikationstechnologien sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Ihre Bedeutung für Diagnose und Therapie steigt stetig an. Hierbei spielen spezifische Formen telemedizinischer Betreuung eine zunehmend wichtige Rolle. Zahlreiche Studien haben mittlerweile gezeigt, dass es möglich ist, durch den Einsatz der Telemedizin die Qualität der medizinischen Betreuung signifikant zu erhöhen, die Mortalitätsrate zu senken und gleichzeitig die Behandlungskosten zu verringern. Neben einer effizienteren Behandlung ist hierbei in besonderem Maße die geringere Beeinträchtigung der Patienten hervorzuheben. So bietet beispielsweise das Telemonitoring-Verfahren die Möglichkeit, Rekonvaleszenten früher aus der stationären Behandlung zu entlassen und im privaten Umfeld weiter zu betreuen. Aus Sicht der Beteiligten kann die medizinische Nachversorgung somit für die Patienten angenehmer und für die Dienstleister im Gesundheitswesen billiger gestaltet werden. Da die Telemedizin international auf dem Vormarsch ist, kann auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ein verstärktes Engagement in diesem Bereich von Interesse sein. Dennoch besteht hier Handlungsbedarf hinsichtlich der Fragen des Datenschutzes (elektronische Patientenakte), der Übertragbarkeit von regionalen Projekten in den bundesweiten Regelbetrieb oder der stärkeren Einbindung der Telmedizin in die Prävention und die Wende von der Nachsorge zum Risikomanagement.

Im internationalen Vergleich sind andere Länder hinsichtlich dieser Problematiken weiter bzw. im Gesundheitswesen strukturell anders aufgestellt als Deutschland. Im Rahmen des seit 2006 im Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) konstruierten Projektrahmens "Internationales C·A·P Telemedizin Forum" ist deshalb ein international formatiertes Benchmarking in zunehmender Weise sinnvoll. Dies soll den dort involvierten Akteuren Hinweise geben für die im Ausland konzipierten Lösungsmöglichkeiten im Bereich der modernen IT-gestützten medizinischen Versorgung.


Sheba Medical Center, Tel Aviv.


Dr. Roland Delbos, Consultant für das Gesundheitswesen, und Jürgen Turek, Geschäftsführer des C·A·P.

Vor diesem Hintergrund reiste eine Delegation des C·A·P nach Israel, das bereits heute eine relativ breite telemedizinische Versorgung realisiert. Hierzu kommen mobile Mess- und Kommunikationseinrichtungen bei den Patienten und eine systematische Auswertung daraus gewonnener Patientendaten in mit Ärzten und Fachleuten besetzten Call-Centern zum Einsatz. Instrumente wie der Cardiac Marker Test eröffnen im Rahmen einer exakten Proteinanalyse zukünftig als Frühwarninstrument zuverlässige Diagnosemöglichkeiten. Durch den Einsatz der Telemedizin lässt sich der Zeitrahmen der Meldung von Infarkten oder Schlaganfällen nachhaltig verkürzen. So liegt er bei normalen Patienten bei durchschnittlich 180 Minuten nach einem Vorfall, bei israelischen Telemedizin-Patienten bei durchschnittlich 44 Minuten. Dadurch sinkt der Zeitrahmen der gesamten Behandlung von durchschnittlich 320 Minuten bei normalen Patienten auf durchschnittlich 105 Minuten bei Telemedizin-Patienten.


Die Delegation im Rabin Medical Center, Tel Aviv.

Die Delegation versammelte Teilnehmer des Klinikums Coburg, Verantwortliche im bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen und Politikwissenschaftler der Universitäten München und Jerusalem, um einen breiten und interdisziplinären Diskussionsansatz mit den Verantwortlichen in Israel zu gewährleisten. Hier standen Stationen bei dem Unternehmen SHL TeleMedicine Ltd, dem privatwirtschaftlich organisierten Klinikum Rabin Medical Center sowie dem öffentlichen Krankenhaus Sheba Medical Center auf dem Programm. Der international renommierte Politikwissenschaftler Prof. Shlomo Avineri von der Hegräischen Universität Jerusalem unterrichtete darüber hinaus die Delegation hinsichtlich genereller sozio-ökonomischer Entwicklungen in der israelischen Gesellschaft.


Staatssekretär Jürgen Heike, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Prof. Dr. Shlomo Avineri, Hebrew University Jerusalem, Prof. Dr. Werner Weidenfeld.

Deutlich wurde, inwieweit Telemedizin in Israel bereits weitgehend Flächen deckend funktionieren kann und auch erfolgreich implementiert worden ist. Bei einer zunehmend alternden Bevölkerung und der Zunahme von chronischen Krankheiten wie Herzinsuffizienz oder Diabetes steigt die Zahl der zu behandelnden Fälle in Zukunft signifikant an. In Deutschland etwa weist die Statistik 1,3 Millionen Patienten mit chronischer Herzschwäche aus. Bereits heute ist der Behandlungsaufwand der Telemedizin in Israel statistisch gut belegt. So wickelt etwa SHL 1,2 Millionen Elektrokardiogramme pro Jahr mit einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von 10 Minuten durch den Einsatz von Modem oder Telefon ab; 600 Telefonate am Tag sind zu bewältigen wenn jährlich etwa 60.000 Patienten zu behandeln sind.


Dr. Eiran Halperin, CEO des Rabin Medical Center in Tel
Aviv, informiert zur Lage im israelischen Gesundheitssystem.

Das Beispiel zeigt, dass die Telemedizin in Israel als verlängerter Arm des Arztes breite Akzeptanz genießt und gut in das dortige Gesundheitssystem eingepasst ist. Dies und auch die weiteren Gespräche in den Kliniken verdeutlichten jedoch, dass das israelische Gesundheitswesen nicht ohne weiteres mit dem deutschen System verglichen werden kann. So weist das israelische Gesundheitswesen in seiner Historie zwar Parallelen zum deutschen Gesundheitswesen auf; mit deutlich stärkeren privatwirtschaftlichen Akzenten nähert es sich dabei aber immer mehr dem amerikanischen Gesundheitssystem an. Insofern sind in Zukunft die Möglichkeiten der Telemedizin für das deutsche Gesundheitswesen landesspezifisch auszuloten. Hier stellt sich die Herausforderung, Krankenkassen, Ärzte und Kliniken zu vernetzen und in regionalen Projekten die Effizienz dieser zukunftsträchtigen Behandlungsform zu realisieren und Grundlagen für überregionale Vernetzung zu schaffen. In diesem Sinne schließen sich bereits heute Kliniken in deutschen Landkreisen mit dem Ziel einer umfassenden kardiologischen Betreuung zu gemeinsamen Projekten in der Telemedizin zusammen – ein Trend, der Schule macht. Aufgrund der weiteren Fortschritte der Gesundheitstelematik und ihrer interessanten Entwicklungsperspektiven sind nun die kassenpolitischen und rechtlichen Aspekte der Telemedizin inhaltlich stärker zu integrieren, eine Konsequenz, die das kommende 3. Internationale C·A·P Telemedizin Forum prägen wird.


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