Der lange Weg zu einem neuen EU-Primärrecht
Eine Auswahl von Analysen und Optionen des C·A·P zur Weiterentwicklung der EU
01.06.2007 · Bertelsmann Forschungsgruppe Politik
Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident José Barroso und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Foto: Europäische Kommission.
Die Zeit der Entscheidungen naht: Zwei Jahre nach dem "Non" der Franzosen und dem "Nee" der Niederländer werden die europäischen Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen am 21./22. Juni 2007 zum Ende der deutschen Präsidentschaft über das Schicksal des europäischen Verfassungsvertrags entscheiden. Nach einer "Phase der Reflexion", in der vor allem das "Europa der Ergebnisse" vorangebracht werden sollte, steht nun die institutionelle Reform der Union wieder im Fokus. Die Verabschiedung der "Berliner Erklärung" anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 2007 hat gezeigt, dass die europäischen Regierungen trotz aller Differenzen grundsätzlich zu einer Reform der geltenden Verträge bereit sind.
Das vom Verfassungskonvent 2002-2003 erarbeitete und in einer Regierungskonferenz 2004 von den Mitgliedstaaten verabschiedete ursprüngliche Vertragswerk ist trotz seiner zahlreichen Vorzüge und trotz der Tatsache, dass 18 Mitgliedstaaten den Verfassungsvertrag bereits ratifiziert haben, gescheitert. Nun sollen in einer erneuten Regierungskonferenz, die im zweiten Halbjahr 2007 unter portugiesischer Präsidentschaft beginnen und möglichst zügig abgeschlossen werden soll, ein weiterer Anlauf unternommen und die Details einer Primärrechtsreform ausgehandelt und verabschiedet werden.
Eine Vielzahl von möglichen Plan-B-Optionen liegt auf dem Tisch. Im Vorfeld des EU-Gipfels forderten manche Stimmen ähnlich wie in der Vergangenheit, wenn die Lösung elementarer EU-Zukunftsfragen an einer Minderheit von Mitgliedstaaten zu scheitern drohte, gar den Austritt der "Blockierer" oder die Gründung einer neuen Union der integrationswilligen Länder.
Derartige Alternativen erscheinen jedoch im Kontext der aktuellen Reformdebatte weder realistisch noch erstrebenswert. In der anstehenden Regierungskonferenz wird es vielmehr darum gehen, die zentralen Neuerungen des Verfassungsvertrags im Rahmen eines Änderungsvertrags zum geltenden Primärrecht weitestgehend zu sichern einen entsprechenden "Vertrag zum Vertrag von Nizza" hat das C·A·P gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung bereits im Juni 2005 ausgearbeitet. In der neuen Bescheidenheit eines Änderungsvertrags liegt eine realistische Lösung für die gegenwärtige Verfassungskrise. Auf diese Weise könnte für Europa das Scheitern eines Projekts erneut zum entscheidenden Aufbruch werden und neue Integrationspotenziale freisetzen.
Doch auch ein Änderungsvertrag zum Vertrag von Nizza wird nicht der Schlusspunkt der europäischen Vertragsreformen sein. Um die Gestaltungskraft des alten Kontinents in einer veränderten globalen Ordnung zu gewährleisten, sollte am Ende der nächsten Regierungskonferenz eine verbindliche Einigung darüber erzielt werden, dass die Konstitutionalisierung und Politisierung Europas fortgesetzt wird. Daher sollte das Ziel einer "Verfassung II" bereits während der anstehenden Regierungsverhandlungen konzeptionell bedacht und die Vorbereitungen auf eine nächste Konstitutionalisierungsrunde frühzeitig in die Wege geleitet werden.
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