3. Politisches System

3.2. Die Regierung

Die vollziehende Gewalt, die Exekutive, wird neben dem Staatspräsidenten maßgeblich durch den Ministerrat verkörpert. Der Ministerrat setzt sich aus dem Ministerpräsidenten, den Staatsministern und den Ressortministern zusammen.

Nach den Wahlen zur Türkischen Großen Nationalversammlung ernennt der Präsident den Spitzenkandidaten der siegreichen Partei zum Ministerpräsidenten. Anschließend stellt der Ministerpräsident eine Ministerliste mit den von ihm gewünschten Ressortleitern und ein Regierungsprogramm auf, welches er dem Parlament zur Vertrauensabstimmung vorlegen muss. Stimmt das Parlament zu, werden die Minister vom Präsidenten ernannt. Die Minister sind dem Ministerpräsidenten gegenüber verantwortlich und genießen Immunität und Indemnität.

Die Staatsminister unterstehen dem Ministerpräsidenten und übernehmen politische Funktionen oder einzelne spezielle Fachbereiche und Themen, zum Beispiel Religionsangelegenheiten und Menschenrechte. Allerdings ist ihnen kein eigener Verwaltungsapparat zugeordnet.

Zu den Aufgaben des Ministerrates gehört es,  Rechtsverordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen, insofern ihm diese Kompetenz vom Parlament übertragen wurde. Außerdem steht es dem Ministerrat zu, der Nationalversammlung Gesetzesvorschläge zu unterbreiten. Der Ministerrat und die einzelnen Minister können per Misstrauensvotum mit einfacher Mehrheit vom Parlament abgesetzt werden.

Eine Sonderegelung der türkischen Verfassung betrifft die so genannte Übergangsregierung. Dabei handelt es sich um parteilose Politiker, die die Ämter des Innen-, Verkehrs- und Justizministers vor allgemeinen Wahlen übernehmen, um einen unparteiischen Verlauf der Parlamentswahlen zu gewährleisten.


Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan während des "International Bertelsmann Forum 2004", Foto: Bertelsmann Stiftung

Der derzeitige Ministerpräsident ist Recep Tayyip Erdogan, ehemaliger Bürgermeister Istanbuls und Gründer der Regierungspartei AKP („Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt“). Der große Erfolg der AKP seit ihrem erstmaligen Antreten zu den Parlamentswahlen im Jahr 2002 ist größtenteils auf die Person Erdogans zurückzuführen, der bereits 2002 zum Ministerpräsident gewählt wurde. Erdogan genießt jedoch keine uneingeschränkte Unterstützung der Bevölkerung. Besonders von kemalitischer Seite sieht er sich starker Kritik ausgesetzt, jüngst aufgrund seine Ankündigung im Juni 2007, selbst für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen.

Grund dafür ist seine viel diskutierte islamistische Vergangenheit und das Profil seiner konservativ-islamischen Partei AKP. In jungen Jahren schloss sich Erdogan der fundamentalistischen „Nationalen Heilspartei“ an, die jedoch 1983 verboten wurde. Auch deren Nachfolgeorganisationen, der „Wohlfahrtspartei“ sowie deren Tochterpartei, der „Tugendpartei“, gehörte Erdogan an. Beide Parteien wurden 1998 beziehungsweise 2001 verboten.

Im Jahr 1998 wurde Erdogan wegen „Volkverhetzung“ zu einer mehrmonatigen Haftstrafe und einem lebenslangen Politikverbot verurteilt, nachdem er während einer Rede ein religiöses Gedicht zitiert hatte. Nach seinem Gefängnisaufenthalt distanzierte sich Erdogan von radikalen, fundamentalistischen und islamistischen Bewegungen und gründete 2001 die AKP, die für eine Vereinigung von demokratischen Prinzipien und konservativen Werten stehen sollten.

Auch die von Erdogan geführte AKP sah sich 2008 einem Parteiverbotsgefahren ausgesetzt. Als Begründung wurde vorgebracht, die AKP unterwandere die laizistischen Ordnung der Türkei und beitreibe deren Islamisierung mit dem Ziel der Errichtung eines auf der Scharia basierenden Gottesstaates. Der Antrag auf ein Verbot der AKP wurde allerdings im Juli 2008 durch das türkische Verfassungsgericht abgelehnt.

Bei ihren ersten Parlamentswahlen 2002 gelang der AKP ein überragender Sieg, woraufhin Erdogan einige Monate später, nach der gesetzliche Aufhebung seines Politikverbots, zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Schon während des Wahlkampfes im Jahr 2002 erklärte Erdogan den EU-Beitritt der Türkei und die dafür nötigen Reformen zur Priorität.

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