Bürokratische Regime im Prozess der deutschen Einheit

Eine Studie zum Wirken der "Profis hinter den Kulissen"

Lars C. Colschen, Daniel von Hoyer, Michael Weigl:
Profis hinter den Kulissen - Bürokratische Regime im internationalen Prozess zur deutschen Einheit, Schriftenreihe der Forschungsgruppe Deutschland: Band 13, München 2002.

30.06.2004 · Forschungsgruppe Deutschland


Ist die internationale Absicherung der deutschen Einigung in erster Linie auf das spektakulär inszenierte Führungshandeln von Staats-, Regierungschefs und Außenministern zurückzuführen? Die wissenschaftliche Literatur zum "Zwei-Plus-Vier"-Aushandlungsprozess der Jahre 89/90 und die publizierten Erinnerungen der beteiligten Staatsmänner lassen unweigerlich einen derartigen Eindruck entstehen. Die Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes der Forschungsgruppe Deutschland zeigen hingegen, dass es die außenpolitisch tätigen Bürokraten der beteiligten Staaten waren, die maßgeblich zum erfolgreichen Abschluss des internationalen Prozesses zur deutschen Einheit beitrugen. Ihr so wirkungsvolle grenzüberschreitende Arbeit empfanden die "Profis hinter den Kulissen" dabei keinesfalls als außergewöhnliche Belastung, sondern lediglich als Alltagsroutine.

Die Funktionen und Wirkungsweisen internationaler bürokratischer Netzwerke wurden anknüpfend an die Bürokratieforschung und an den kooperationstheoretischen Ansatz der Regimeanalyse mit dem Begriff des "bürokratischen Regimes" erfasst. Internationale Regime - so ein Ergebnis der Forschungen - beinhalten demnach immer auch ein bürokratisches Regime, das dem Kooperationsgeflecht erst seine eigentliche regimespezifische Wirkung verleiht. Institutionalisierte bürokratische Interaktionen auf zwischenstaatlicher Ebene sind insofern ein wesentlicher Bedingungsfaktor für Kooperation in den internationalen Beziehungen. Stabil und auf Dauer angelegt beeinflussen sie zwischenstaatliche Problembearbeitungsprozesse und Politikergebnisse.

Als empirische Grundlage für die Untersuchung der Rolle internationaler bürokratischer Regime im Fallbeispiel "deutscher Einigungsprozess" wurde eine umfangreiche Befragung derjenigen politischen und bürokratischen Akteure durchgeführt, die an den Aushandlungsprozessen hinsichtlich der internationalen Absicherung der deutschen Einheit aktiv beteiligt waren. Hierbei handelte es sich um Personen aus den in den "Zwei-Plus-Vier"-Prozess involvierten Staaten Bundesrepublik Deutschland, DDR, USA, UdSSR, Frankreich, Großbritannien und (zeitweise) Polen. Darüber hinaus stand ein umfangreiches Datenmaterial aus dem ebenfalls am C·A·P durchgeführten Projekt zur Geschichte der deutschen Einheit zur Verfügung.

Literatur

Lars C. Colschen, Daniel von Hoyer, Michael Weigl:
Profis hinter den Kulissen - Bürokratische Regime im internationalen Prozess zur deutschen Einheit, Schriftenreihe der Forschungsgruppe Deutschland: Band 13, München 2002.

Werner Weidenfeld mit Peter M. Wagner und Elke Bruck, Außenpolitik für die deutsche Einheit: Die Entscheidungsjahre 1989/90, Stuttgart 1998.

Peter M. Wagner, Außenpolitik in der "Koalitionsdemokratie". Entscheidungsprozesse in Deutschland, in: Internationale Politik Nr. 4/1998, S. 31-36.

Elke Bruck / Peter M. Wagner (Hrsg.), Wege zum „2+4"-Vertrag. Die äußeren Aspekte der deutschen Einheit, Schriftenreihe der Forschungsgruppe Deutschland: Band 6, München 1996.

Thomas Paulsen / Lars C. Colschen / Peter M. Wagner: Bürokratische Regime in den internationalen Beziehungen, in: Zeitschrift für Politik, 1/2000, S. 54-72.