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Guttenberg: Hype um einen Hoffnungsträger

Mit Statements von Prof. Dr. Werner Weidenfeld

18.12.2010 · Die Presse



Der Shootingstar der deutschen Politik, Verteidigungsminister Guttenberg, scheint kaum etwas falsch machen zu können. Tatsächlich überzeugt er durch Durchsetzungskraft und Unabhängigkeit.

An der Front in Afghanistan, zuletzt sogar in Begleitung seiner Ehefrau Stephanie, auf dem Times Square in New York, Zuversicht ausstrahlend trotz Wirtschaftskrise, beim Punsch-Ausschenken oder beim Starkbieranstich in seiner Heimat Bayern, im Anzug, im AC/DC-T-Shirt, im Military Chic: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), kurz KT, macht immer gute Figur. Heute bei Gottschalk, morgen bei Kerner – der deutsche Verteidigungsminister kann sich sehen lassen und tut es auch gern. Foto- und telegen, flott im Auftreten stiehlt Guttenberg regelmäßig anderen die Show: mal dem bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer, mal Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Beiden könnte er über kurz oder lang in ihren Ämtern nachfolgen, heißt es. Umso genauer werden die Politiker im direkten Vergleich vom Publikum beäugt.

Der Shootingstar der deutschen Politik, gerade erst einmal 39 Jahre alt, versteht sich zu inszenieren, so viel steht fest. Erst seit knapp zwei Jahren Minister – erst für Wirtschaft, dann für Verteidigung –, ist Guttenberg schon längst der beliebteste Politiker im Land, dem weitere steile Karriereschritte vorausgesagt werden. „Focus“ kürte ihn zum Mann des Jahres 2011, die Medien lieben und loben ihn, mit wenigen Ausnahmen. Den Truppenbesuch mit Ehefrau kritisierten zwar viele als übertriebene Show, Guttenbergs Strahleimage wird das aber kaum Abbruch tun, zumal 67 Prozent der Bevölkerung die Reise positiv beurteilen, wie eine Umfrage von Emnid zeigt.

Was macht diesen Mann aus, was steckt hinter seiner enormen Popularität, ist der Hype um seine Person berechtigt? Für Werner Weidenfeld, Politikwissenschaftler der Universität München, ist Guttenberg ein „Phänomen“, das viele Facetten hat: „Er hat eine spezielle Aura, Charisma, eine authentische Ausstrahlung.“ All das, was die Leute an den heutigen Politikern vermissen, denen sie weitgehend misstrauen. Dieser Typus entspricht den Sehnsüchten einer Bevölkerung, die ansonsten auf Distanz zur Politik geht.

Federnder Schritt, immer drei Stufen auf einmal. Unterschwellig vermittle Guttenberg, nicht wirklich zur politischen Klasse zu gehören. Seine Unabhängigkeit komme gut an: „Jeden Tag vermittelt er den Eindruck: Ich könnte morgen aufhören. Dafür lasse ich mich nicht verbiegen.“ In der Tat hat Guttenberg bereits zweimal mit Rücktritt gedroht, erst im Zusammenhang mit der Opel-Rettung, später, als im Bundeskanzleramt ohne sein Wissen ein Gutachten zum Kunduz-Untersuchungsausschuss erstellt wurde.

„Das Elternhaus prägte.“ Diese Unabhängigkeit ist nicht so sehr eine finanzielle, sondern charakterlich, familiär bedingt: Wie Weidenfeld ausführt, war schon Guttenbergs Großvater „eine ähnlich herausragende Figur. Wenn er im Bundestag eine Rede hielt, waren die Straßen leer gefegt.“ Der Vater, Dirigent Enoch zu Guttenberg, habe auf einem anderen Gebiet, der Musik, ähnlich agiert: „Er hat jeden noch so großen Konflikt auf sich genommen, weil er auf seiner eigenen Interpretation von Bach beharrte. So etwas bekommt man im Elternhaus mit, das prägt.“

Dieses Elternhaus steht in Oberfranken, im gleichnamigen Ort Guttenberg. Es ist das Familienschloss, in dem Karl-Theodor und sein Bruder Philipp Franz nach der Scheidung der Eltern im Jahr 1977 bei Vater Enoch aufwuchsen. Seit der ältere Spross so populär ist, hat es sich zum Magneten für Touristen und Journalisten entwickelt. Da man sich der Besucher nicht mehr erwehren kann, soll der Familiensitz künftig mit einem drei Meter hohen Tor abgeschirmt werden.

Formvollendete Manieren. Nicht so sehr die adelige Herkunft beeindruckt laut dem Politologen Weidenfeld die Deutschen – obwohl das Paar natürlich für viel Glamour sorgt –, sondern eher das damit verbundene „kulturelle Unterfutter“. Neben dem Jusstudium, das Guttenberg, nach dem Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern, in München und Bayreuth absolvierte – und summa cum laude abschloss –, verbrachte er viel Zeit in Museen, Konzerten, in der Oper. Sein Vater, dem er zum 50.Geburtstag einen fiktiven Dialog zwischen Ludwig XIV. und Johann Sebastian Bach widmete, nennt ihn einen „begabten Hund“, ehemalige Lehrer erinnern sich an seine „formvollendeten Manieren“.

Nach der Tätigkeit bei der familieneigenen Beteiligungsgesellschaft „Guttenberg GmbH“ und im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG schlug Guttenberg die politische Laufbahn ein, seit 2002 sitzt er im Bundestag. Bundesweit wurde Guttenberg bekannt, als er von 2005 bis 2008 Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss war, wo er durch sein gewandtes Auftreten auffiel. Horst Seehofer, der heute behauptet, er habe Guttenberg „erfunden“ – die Wortwahl zeigt, dass der ihn längst überflügelt hat –, machte ihn als frisch gebackener Landesvater im November 2008 zum CSU-Generalsekretär. Im Februar 2009 wurde er Nachfolger des zurückgetretenen Wirtschaftsministers Michael Glos, im Herbst 2009 Verteidigungsminister im schwarz-gelben Kabinett.

Wirklich falsch machen kann es Guttenberg offensichtlich nicht. Als er nach Amtsantritt bei der Bewertung des Luftangriffes im afghanischen Kunduz herum lavierte, sah man seinen Stern schon im Sinken. Aber er überstand die Sache unbeschadet. Jetzt wird ihm für die Bundeswehrreform große Anerkennung gezollt, ein Mammutprojekt, bei dem er starkes Durchsetzungsvermögen an den Tag legte. Die Wehrpflicht, für viele in der Union unantastbar, wurde ausgesetzt. „Es war eine gigantische Leistung, gegen eine solche Wand von Widerstand anzukommen“, sagt ein Beobachter.

Auch Seehofer war zuerst strikt dagegen, musste aber nachgeben. In der CSU hat Guttenberg eine breite Basis, könnte sofort den Parteivorsitz übernehmen, wenn er es wollte; Seehofer ist massiv geschwächt, Guttenberg der Zukunftstraum seiner Partei, Neider sind nicht auszumachen. Ministerpräsident kann er laut Verfassung erst mit 40 werden, also nächsten Dezember. Aber will Guttenberg das überhaupt?

Der CSU-Vorsitz, das Amt des Ministerpräsidenten – allenfalls als Sprungbrett für Höheres. Guttenberg selbst weist Ambitionen auf die Kanzlerschaft vorläufig noch zurück. Richtiges Timing ist alles, nur nichts überstürzen. Das Verhältnis zwischen dem Minister und Bundeskanzlerin Merkel ist respektvoll, sagen Insider, aber nicht so eng, dass sie jede freie Minute ein Glas Rotwein miteinander trinken. Sollte sich zum gegebenen Zeitpunkt die Frage nach einem geeigneten Kanzlerkandidaten stellen, wird man sicher an Guttenberg denken.


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