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Schüler als Abgeordnete für einen Tag

Spannende Debatten beim Planspiel 'Bayerischer Landtag' im Gymnasium

Biedefeld: Politische Bildung Jugendlicher nicht vernachlässigen

Von Andreas Schmitt

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09.04.2008 · Obermain Tagblatt



Burgkunstadt. „Ich halte als Fraktionsvorsitzender der SPD die Zügel in der Hand. Wir werden in der Opposition alles gegen das Gesetz unternehmen! Davon träumen sie nur, die SPD ist doch ein zerstrittener Haufen.“ Wie bei den Debatten des Bayerischen Landtages geht es am Montag in Burgkunstadt zu. Beim Planspiel Bayerischer Landtag nehmen rund 50 Schüler der Klassen 10b und 10c des Gymnasiums die fiktive Identität von Abgeordneten der CSU-, SPD- und Bündnis 90/Die Grünen-Landtagsfraktionen an.

Als Plenarsaal dient ein mit Redepult und bayerischen Fahnen bestückter Klassenraum, weitere Räume stehen für Ausschuss- und Fraktionssitzungen zur Verfügung. Das Planspiel Bayerischer Landtag wird organisiert von Thomas Regnet und Simon Kirnberger von der Forschungsgruppe Jugend und Europa (FGJE) des Centrums für angewandte Politikforschung (C·A·P) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Unterstützt wird das politische Bildungsprojekt, das schon an über 100 bayerischen Schulen abgehalten wurde, vom Landtag.

Simon Kirnberger betont: „Die politische Bildung der Jugendlichen ist eine wichtige Aufgabe einer Demokratie. Sonst läuft man Gefahr, die Identifikation der Heranwachsenden mit dem Staat zu verlieren, was sich zu allererst an sinkenden Wahlbeteiligungen unter Jugendlichen zeigt.“ Die Burgkunstadter Sozialkundelehrer Winfred Bogdahn und Siegbert Thiel bewarben sich bereits im vergangenen Jahr mit ihren Klassen und freuten sich nun, dieses interessante Rollenspiel an ihrer Schule verwirklichen zu können.

Übung in Sachen Streitkultur

Nach Instruktionen der beiden „Landtagsmitarbeiter“ Kirnberger und Regnet stehen sich die Burgkunstadter „Parlamentarier für einen Tag“ mit dem Szenario konfrontiert, dass die Staatsregierung einen Gesetzesentwurf in den Landtag einbringt, der vorsieht, Videoüberwachungskameras auf 250 bayerischen Plätzen aufzustellen. In den Fraktions- und Ausschusssitzungen sollen sich die jungen Abgeordneten eine Meinung dazu bilden.

Zunächst stehen jedoch wie im echten  Landtag Personal-Streitigkeiten an. Die Fraktions- und Ausschussvorsitzenden sowie der Landtagspräsident sind zu wählen. Die Mehrheitsverhältnisse im Burgkunstadter Landtag sind im Übrigen die gleichen wie im Maximilianeum. „Die CSU ist sich uneinig, die Grünen haben sowieso zu wenig Abgeordnete“, tönt es aus der SPD-Fraktion, als es um die Nominierung des Landtagspräsidenten geht. In der Tat gibt es in der CSU-Fraktion, die deutlich mehr Abgeordnete stellt als SPD und Grüne zusammen, die größten Meinungsverschiedenheiten, doch letztendlich setzt sich die Fraktionsdisziplin durch und Nadine Bienlein alias Susanna Hoppe wird zur Landtagspräsidentin gewählt. „Es ist ein gutes Gefühl zu gewinnen“, meint die 17-Jährige. Das Planspiel kommt bei ihr gut an, da man „hier richtig mitreden kann und die Politik am eigenen Leibe erlebt.“

Abgerundet wird der reale Eindruck eines Parlamentarier-Arbeitstages durch ein Schüler-Presseteam. Gina Haasenstrauch, Julia Klemenz, Kimberley Trier und Anna Schofer löchern die „Volksvertreter“ mit Fragen wie „Haben Sie auch genug Kompetenz für ihr Amt?“.

Außerdem werden Parteivertreter zu einer Talkrunde geladen. Niklas Welscher alias Professor Sven Wunderbaum als Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen sorgt hierbei für eine politische Streitkultur, die Sepp Dürr, dem realen Fraktionsvorsitzenden der Grünen, in nichts nachsteht. Eines seiner Statement: „Einige Abgeordnete der CSU wollten ja in den Ausschüssen fürs Gesetz stimmen. Das zeigt, dass nicht alle charakterlos sind, manche haben nur die falsche Partei gewählt haben.“ Beifall ihrer jeweiligen Fraktionen begleitet die Aussagen der Talkgäste.

So nahe an der Realität die Diskussionen der Schüler liegen, so wirklichkeitsgerecht und damit auch etwas ernüchternd für die Opposition verläuft letztendlich die Abstimmung über den Gesetzesantrag zur Videoüberwachung. Obwohl SPD und Grüne sich vorher auf eine gemeinsame Linie verständigen und Dr. Wunderbaum (Niklas Welscher) erneut Stimmung macht („Erinnern Sie sich, liebe CSU-Mitglieder, an das Büchergeld, das nach einem Jahr wieder abgeschafft wurde, begehen Sie nicht wieder einen solchen Fehler.“), haben sie keine Chance gegen die CSU-Mehrheit.

Die Oppositions-Forderung nach einem halbjährigen Testlauf an nur 50 bayerischen orten bleibt ungehört, Markus Schnapp alias Dr. Groß-Striffler in der Funktion des CSU-Fraktionsvorsitzenden entgegnet, dass „ein Testlauf in Regensburg bereits ein großer Erfolg“ sei und dort die Kriminalität zurückgehe. Die Opposition setzt allerdings durch, dass Kameras nur in Orten mit mehr als 13 000 Einwohnern eingesetzt werden. Hierbei wird den Zehntklässlern die Bedeutung der Ausschussarbeit auch über Fraktionsgrenzen hinweg deutlich. „Es ist schon erstaunlich wie wenig vom Wortlaut der ursprünglichen Gesetzesinitiative bestehen bleibt, obwohl die Opposition bei der Abstimmung im Plenum immer überstimmt wurde“, staunten sie.

Nachdem die Zehntklässler ihre fiktiven Identitäten nach einigen aufschlussreichen Stunden als Parlamentarier ablegen, findet sich mit Susann Biedefeld (SPD) eine echte Politikerin ein, um sich ihren Fragen zu stellen. Schulleiter Werner Fischer begrüßt die Lichtenfelser Kreisrätin, die seit 1994 Mitglied des Bayerischen Landtages ist. Des Weiteren nutzt er die Gelegenheit, allen am Planspiel beteiligen seinen Dank auszusprechen.

Eine Politikerin berichtet

Biedefeld berichtet von ihrer politischen Karriere, die als Kreisvorsitzende der Jungen Sozialdemokraten im Kreis Kulmbach begann. Mittlerweile ist die Altenkunstadterin stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bayerischen Landtag. Vor allem aktuelle politische Ereignisse wie das G8, der Transrapid oder die Biosprit-Diskussion beschäftigen die Schüler. Sie entlocken der Politikerin aber auch das Bekenntnis, dass „das Unterhalten mit dem Nebenmann“ im Gegensatz zur Schule „in Fraktions- oder Landtagssitzungen durchaus gängig“ sei und man als Rednerin oftmals gegen den Lärmpegel ankämpfen muss.

Biedefeld begrüßt Initiativen zur politischen Bildung Jugendlicher: „Junge Menschen in die Politik einzubinden ist sehr wichtig, denn sonst fühlen sie sich übergangen, was zu einer verstärkten Politikverdrossenheit führen könnte. Ich würde mir wünschen, dass örtliche Abgeordnete öfter die Zeit finden, Schulen zu besuchen.“


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