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Der Kampf der Häuptlinge

In der CSU zählt bei der Verteilung der Kabinettsposten die regionale Herkunft

10.10.2008 · Abendzeitung



MÜNCHEN  -  Jetzt geht er wieder los, der Kampf der Stämme: In der CSU zählt bei der Verteilung der Kabinettsposten die regionale Herkunft mindestens so viel wie die Kompetenz. Ein archaisches Prinzip, an dem von den Jungen Wilden immer mal wieder gerüttelt wird. Bisher vergeblich. Und wohl auch diesmal. Nicht nur, weil auch die Jungen Wilden es gerne sehen, wenn ihr Bezirk gut wegkommt.

Bayern zerfällt seit seiner Gründung vor 200 Jahren in drei Stämme: Altbayern, Franken, Schwaben. Und die untergliedern sich weiter – die Altbayern zum Beispiel in Ober- und Niederbayern. Und die CSU macht es noch ein bisschen komplizierter, weil sie sich in ihrer Parteistruktur zwar sonst an den Regierungsbezirken orientiert, aber München, Nürnberg und Augsburg als Extra-Bezirke führt. Und alle wollen sie bedient werden. Und zwar gerecht.

18 Posten auf zehn Bezirke

Auf diese zehn Parteibezirke müssen nun die wichtigsten 18 Posten verteilt werden, die die CSU zu vergeben hat: mutmaßlich neun Minister (jetzt elf, aber zwei gehen wohl an die FDP), fünf Staatssekretäre, ein Ministerpräsident, ein Fraktionschef, ein Landtagspräsident, ein Generalsekretär. Das geht rechnerisch schon nicht auf, wird aber noch schwieriger, weil die Posten ihre eigene Währung haben, zum Beispiel ist ein Minister in etwa zwei Staatssekretäre wert. Auch die Bezirke sind nicht gleich stark – warum sollten aus Proporz-Sicht 250.000 Augsburgern so viele Pfründe zustehen wie 2,9 Millionen Oberbayern?

Aus all diesen Vorgaben eine Regierung zu bilden klingt wie ein Alptraum? Aber es fehlen ja noch welche: Außerdem säuberlich auzutarieren sind die Konfessionen (katholisch/evangelisch), das Geschlecht (wenigstens ein paar Frauen) und das Alter (wenigstens ein paar junge Gesichter).

Die Wahl hat alte Wunden aufgerissen

Dazu kommen alte Verwerfungen und frische Wunden. "Die Wahl hat vor allem zwischen Altbayern und Franken tiefe Gräben freigelegt", sagt der Historiker Georg Seiderer. Die Franken zum Beispiel sind frustriert, dass ihr Beckstein abgeschossen wurde – obwohl doch die Altbayern die größeren Verluste hatten.

Aber wie sinnvoll ist dieses Proporzsystem überhaupt noch? "Es ist Aufgabe der Politik, verschiedene Gruppen zu integrieren und ihre Interessen auszubalancieren. Das ist woanders genauso", sagt Professor Werner Weidenfeld zur AZ. "Aber es darf natürlich nicht zu Lasten der Qualität gehen. Dann hätte die Politik versagt." Im übrigen verweist er auf selbstregulierende Kräfte: Wenn eine Region auf einem Posten bestehe, obwohl sie niemand ausreichend Qualifizierten dafür hat, fällt das auf sie selbst zurück. Und auf ihren Einfluss natürlich.

tan


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