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Die süße Versuchung der Toleranz – es geht um Anerkennung und Courage!

Zum "Internationalen Tag der Toleranz" der UNESCO

Dieser Artikel ist im Tagebuch auf der Online-Plattform dieGesellschafter.de erschienen.

16.11.2007 · Position von Britta Schellenberg



Mehr Bildung und Erziehung zu Toleranz – das sind fundamentale Forderungen der UNESCO, der Bildungsorganisation der Vereinten Nationen. Mit dem Ziel, "Problembewusstsein in der Öffentlichkeit zu wecken, die Gefahren der Intoleranz deutlich zu machen und unser tätiges Engagement zu bekräftigen", proklamierte die UNESCO den 16. November, den heutigen Tag also, zum Internationalen Tag für Toleranz.

Die Gesellschaft, in der ich leben möchte, müsste über die Erziehung zu Toleranz hinaus eine Bildung anstreben, die Erziehung zum Leben in und mit realer Vielfalt bedeutet. Sie müsste befähigen, jeden Menschen als Individuum in seiner Vielfalt anzunehmen, ihm kein Schicksal vorzuschreiben, sondern ihm das Recht geben, selbst zu entscheiden, welches Leben und welche Zugehörigkeiten er wählt. Damit wären die Mehrheits-Minderheits- bzw. Gruppen-Dichotomien des klassischen Toleranz-Begriffs aufgehoben. Denn das würde heißen, zu lernen, dass das Leben jedes Menschen sich nicht nur in einer, sondern in vielen sozialen und geistigen Zugehörigkeiten abspielen kann. Dabei ist es essentiell, ein Bewusstsein zu bilden für die Freiheit, kulturelle Entscheidungen selbst zu treffen.

Dieses Idealbild einer Gesellschaft mit selbstbewussten und unabhängigen Menschen wäre vermutlich keine selbstzufriedene, entspannte Gesellschaft, sondern durchaus eine der immerwährenden Auseinandersetzung. Die "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage"-Initiativen setzen hier an. Gegenpart zu dem beschriebenen Gesellschaftsbild ist die Realität stereotyper Zuschreibungen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ebenso wie das Konform-machen, also das Bestreben nach und Durchsetzen von Gruppen-Homogenität.

Es geht um Ungleichbehandlungen, die es zu verhindern gilt. Sie zeigen sich gegenwärtig bereits bei den ganz Kleinen: In deutschen Kindergärten und Schulen werden arme und bildungsferne Kinder und Jugendliche, auch die mit Migrationshintergrund, sträflich vernachlässigt. Dass die Kinder aus deutschen "Bildungsfamilien" so viel besser in der Schule und im Leben abschneiden, ist – nicht zuerst aus ökonomischen Gründen - ein Skandal.

Die Gesellschaft, in der ich leben will, pflegt Auseinandersetzung und Diskussion und beinhaltet damit Konflikt und Versöhnung. Die Kehrseite dieser Gesellschaftsvorstellung heißt Nicht-Akzeptanz und Respektlosigkeit – auch Intoleranz. Heute treffen wir diese am intensivsten im Rechtsextremismus und Fundamentalismus. Aber nicht nur bei extremistischen Bewegungen zeigen sie sich, sondern auch in öffentlichen Diskursen, etwa wenn diese fremdenfeindliche, antisemitische oder islamfeindliche Vorurteile artikulieren.

Wenn man die gegenwärtigen Debatten wie die Islamkonferenz oder die - zumindest in der Öffentlichkeit recht eng geführten - Diskussionen über Integration betrachtet, entfernen wir uns eher von dieser Gesellschaftsvision, als dass wir uns ihr annäherten.


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