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Präsidentschaftswahlen in Frankreich

Nach hoher Wahlbeteiligung wird ein "Sieg der Demokratie" konstatiert - jetzt Duell "Sarko-Ségo"

23.04.2007 · Position von Simone Weske



Frankreich hat gewählt. Dem französischen Wahlsystem entsprechend fand am Sonntag, dem 22. April, die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Zwölf Kandidaten traten gegeneinander an, um sich für die Stichwahl am 6. Mai zu qualifizieren.

Duell "Sarko-Ségo"

Anders als 2002, als sich überraschend der rechtsextreme Jean-Marie Le Pen für die Stichwahl qualifizierte, entsprach das Wahlergebnis in diesem Jahr weitgehend den Prognosen der Meinungsforschungsinstitute: "Sarko" und "Ségo" werden am 6. Mai gegeneinander antreten. Nicolas Sarkozy, Kandidat der konservativen Regierungspartei UMP, geht mit 31,1% der abgegebenen Stimmen als Favorit in die Stichwahl. Ségolène Royal, Kandidatin der Sozialistischen Partei (PS) konnte 25,8% der Stimmen auf sich vereinen.

Auf dem dritten Platz landete François Bayrou, Vorsitzender der Zentrumspartei UDF. Mit einem Resultat von 18,5% der Stimmen gelang es ihm, sein Ergebnis von 2002 (6,8%) zu verdreifachen. Jean-Marie Le Pen, von der rechtsnationalen Front National (FN) erzielte 10,5% der Stimmen und damit sein schlechteste Ergebnis seit 1974. Von den übrigen acht Kandidaten schnitt Olivier Besancenot von der trotzkistischen LCR mit 4,1% der Stimmen am besten ab.

Das Trauma von 2002

Das Ergebnis der diesjährigen Präsidentschaftswahl ist nicht ohne das Trauma von 2002 zu verstehen. Vor fünf Jahren konnte sich Jean-Marie Le Pen mit 16,9% der Stimmen für die Stichwahl qualifizieren. Er trat gegen den rechtskonservativen Jacques Chirac an, der in der ersten Runde 19,9% der Stimmen auf sich vereinen konnte. Dem Sozialisten Lionel Jospin war mit einem Ergebnis von 16,2% der Einzug in die zweite Runde nicht gelungen. Jospins Scheitern war zum einen durch die niedrige Wahlbeteiligung zu erklären. Die Wahlen 2002 fanden inmitten der Urlaubszeit statt und fast jeder dritte Franzose verzichtete auf seine Stimmabgabe. Das Votum der rechtsextremen Wählerschaft erlangte damit größeres Gewicht. Zum anderen entfielen zahlreiche Stimmen auf die kleinen linksextremen Parteien – Stimmen, die Lionel Jospin letztendlich fehlten, um sich für die zweite Runde zu qualifizieren. Das Ergebnis, ein Duell "rechts gegen rechtsextrem", hinterließ einen nachhaltigen Schock in Frankreich. Die Folgen waren beim diesjährigen Wahlkampf zu spüren.

Hohe Wahlbeteiligung

Zum einen wurde sowohl von Nicolas Sarkozy als auch von Ségolène Royal ein sehr aktiver Wahlkampf geführt. Beide Kandidaten setzten sich wiederholt dem Populismus-Vorwurf aus. Doch eines gelang ihnen offenbar: Die Franzosen wieder für die Politik zu interessieren. Der Wahlkampf von 2007 wurde von 62% der Franzosen als "interessant oder sehr interessant" empfunden. 2002 behaupteten dies nur 28% der Befragten. (Umfrage CSA-Cisco, Le Parisien, 23.4.2007, S. 6). Entsprechend fiel auch die Wahlbeteiligung dieses Jahr mit knapp 85% sehr hoch aus. Noch nie seit Einführung der Direktwahl des französischen Staatspräsidenten im Jahr 1965 haben so viele Franzosen ihre Stimme abgegeben. Die hohe Wahlbeteiligung wurde von französischen Journalisten und Politikern einhellig als "Sieg der Demokratie" bewertet.

"Vote utile"

Eine zweite Konsequenz aus der Präsidentschaftswahl 2002 war die Kampagne um eine "vote utile". Um nicht dasselbe Schicksal wie Lionel Jospin zu erleiden, rief die sozialistische Kandidatin Ségolène Royal die linke Wählerschaft eindringlich dazu auf, "nützlich" zu wählen. Damit war gemeint, dass die Wähler ihre Stimme nicht an einen Kandidaten der linksextremen kleinen Parteien "verschenken" sollten. Sinnvoller sei es, mit einer Wahl für Ségolène Royal sicherzustellen, dass überhaupt ein Kandidat der Linken in der Stichwahl vertreten sei. Diese Strategie hat funktioniert. Obwohl die linksextremen Parteien versuchten, die Debatte um die "vote utile" abzuwenden und umzudeuten ("Nützlich" sei eine Wahl, die den eigenen Überzeugungen entspräche, nicht wahltaktische Stimmenumschichtungen), schnitten sie in diesem Jahr sehr schlecht ab. Obwohl Ökologie ein beherrschendes Wahlkampfthema war, wurden auch Die Grünen Opfer der "vote utile" und erzielten lediglich einen Stimmenanteil von 1,6% (gegenüber 5,2% in 2002).

Ségolène Royal gelang es weiterhin, zahlreiche Jugendliche der vernachlässigten Pariser Vororte ("banlieue") für sich zu mobilisieren. Die gewaltsamen Krawalle im Oktober 2005 veranschaulichten die Frustration der Jugendlichen, die in der "banlieue" wie in einer Art Ghetto leben. Keimzelle der Unruhen 2005 war der Pariser Vorort Clichy-sous-Bois, wo zwei Jugendliche, Zyed und Bouna, starben, weil sie sich auf der Flucht vor Polizisten in einer Stromzentrale versteckten. Sarkozy, bis vor kurzem französischer Innenminister, ist wegen seiner verbalen Entgleisungen (z.B. man solle die Pariser Vororte mit dem "Kärcher" von dem "Gesindel" reinigen) und dem harten polizeilichen Durchgreifen zur Hassfigur der "banlieue" geworden. Ségolène Royal profitierte von dieser Stimmung und konnte in Clichy-sous-Bois die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen.

Neben Ségolène Royal profitierte auch der Zentrist François Bayrou von der Idee der "nützlichen Wahl". Er etablierte sich als "einziger Kandidat, der Nicolas Sarkozy in der zweiten Runde schlagen kann." In der Tat sagen alle Umfragen voraus, dass in einem Duell Sarkozy-Royal der konservative Kandidat gewinnen wird. Wäre es hingegen zu einem Duell Sarkozy-Bayrou gekommen, so hätte laut Umfragewerten Bayrou gesiegt. Bayrou nutzte dieses Argument, um die Stimmen jener zahlreichen Franzosen zu sammeln, deren Leitmotiv "alles außer Sarkozy" lautet. Zwar hat sich Bayrou nicht für die zweite Runde qualifizieren können, doch von ihm und seiner Wählerschaft dürfte dennoch der Wahlausgang abhängen.

Faktor Bayrou

Die Herausforderung für Nicolas Sarkozy wie auch für Ségolène Royal lautet nun, die Mitte zu erobern, ohne die extrem Rechte bzw. Linke zu vergraulen. Nicolas Sarkozy hat im Wahlkampf stark Themen der extremen Rechten besetzt, u.a. mit einer Kampagne zur "nationalen Identität". Sicherlich ist das schlechte Wahlergebnis von Jean-Marie Le Pen auch mit dem intensiven Werben Sarkozys um die rechtsextreme Wählerschaft zu erklären. Obwohl er als Favorit in die Stichwahl geht, ist er jedoch mit dem Problem konfrontiert, dass sich unter den übrigen Parteien ein Konsens herausbildet, der darin besteht, einen Sieg Sarkozys unter allen Umständen verhindern zu wollen. Fast alle linken Splitterparteien haben ihren Wählern die Wahl von Ségolène Royal am 6. Mai empfohlen. Dies ist keineswegs selbstverständlich – in den vergangenen Jahren haben sich die kleinen Parteien oftmals einer Wahlempfehlung enthalten. Dieses Jahr stellen sie zwar oftmals klar heraus, dass ihre Empfehlung nicht wirklich für Royal, sondern gegen Sarkozy gerichtet ist, im Ergebnis bedeutet das allerdings dasselbe. Die rechtsextremen Parteien gaben hingegen bislang keine Empfehlung ab. Entscheidend für den Wahlausgang wird sein, wie sich die 18,5% der Franzosen, die für François Bayrou gestimmt haben, in der zweiten Runde entscheiden werden. Traditionell zählt die UDF, die sich selbst als "Zentrum" definiert, zur französischen Rechten. Die UDF war an mehreren konservativen Regierungen beteiligt und hat bei allen vorangegangenen Parlamentswahlen Wahlbündnisse mit der konservativen UMP geschlossen. Diesmal hat Bayrou jedoch seinen gesamten Wahlkampf in Opposition zu Sarkozy geführt. Meistbenutztes Argument war, dass er der einzige sei, der Sarkozy im zweiten Wahlkampf schlagen kann. Prominente Sozialisten wie Michel Rocard riefen sogar zu einem Bündnis von Ségolène Royal und François Bayrou noch vor dem ersten Wahlgang auf – eine Idee, die jedoch von beiden Kandidaten gleichermaßen abgelehnt wurde. Mit Spannung wird nun erwartet, ob Bayrou eine Wahlempfehlung abgegeben wird und wenn ja, welche.

Zwei Wochen bis zur Stichwahl

Die zwei Wochen bis zur zweiten Runde lassen noch einen fesselnden Wahlkampf erwarten. Ein Fernsehduell ist angekündigt, bei dem die zwei Kandidaten zum ersten Mal in direkter Konfrontation gegeneinander antreten werden. Alle beide werden versuchen, ihre jeweiligen Schwächen zu bekämpfen. Sarkozy wird häufig vorgeworfen, er mache den Franzosen schlichtweg Angst. Bereits in seiner Rede zu den Ergebnissen des ersten Wahlkampfes ließ Sarkozy folglich versöhnliche Töne anklingen: Er versprach eine "brüderliche Republik". Das Frankreich, von dem er träume, sei "wie eine Familie". Er wolle den Schwachen und Benachteiligten helfen und die Franzosen "beschützen". Ségolène Royal hat gegen andere Vorwürfe zu kämpfen: Sie wirke oft unsicher und inkompetent, lautet eine häufig formulierte Kritik. Ihre Rede am Wahlsonntag verlas sie mit über einer Stunde Verspätung recht steif und emotionslos. Wenn sie – den aktuellen Umfragen zum Trotz – Sarkozy am 6. Mai schlagen und als erste Frau in den Elysée-Palast einziehen möchte, muss sie noch mehr Begeisterungsfähigkeit entwickeln. Ihre bisher dominante Strategie, gegen Sarkozy zu mobilisieren, könnte sich aufgrund der äußerst knappen Konstellationen als nicht ausreichend erweisen. Ihr Ziel in den verbleibenden zwei Wochen muss es sein, die Franzosen für ihr eigenes Projekt zu begeistern.


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