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Europas Finanzen müssen der politischen Realität folgen

Die Verhandlungen über das EU-Budget 2007-2013

14.06.2005 · Position von Roman Maruhn



Die Lösung von drei großen Konflikten stellte sich der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker für seine EU-Ratspräsidentschaft zur Aufgabe. Die Reform der Lissabon-Strategie konnte zumindest auf dem Papier abgehakt werden. Unbefriedigender fiel der Kompromiss über den Stabilitätspakt aus: Lediglich als Symbolpolitik darf die als Reform verkaufte Neuauflage der finanzpolitischen Verpflichtungen der Euro-Staaten betrachtet werden. Die Revision der Auslegung des Stabilitätspaktes ist – kritisch betrachtet – nicht mehr als eine Anpassung der Stabilitätsregeln an die ernüchternde Realität der nationalen Haushaltspolitiken.

Als wichtiger Test der Handlungsfähigkeit der EU-25 sind die Verhandlungen um die Finanzielle Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013 zu betrachten. Horizontale und vertikale Konflikte, nicht nur in der EU, sondern auch im deutschen Föderalismus, behindern die Einigung über die finanzielle Ausstattung der EU für sieben entscheidende Jahre. In dieser Zeit muss die EU die Erweiterung um die zehn neuen Mitgliedstaaten realisieren, drei weitere Neumitglieder aufnehmen, vermutlich den Beitritt der Türkei vorbereiten und unter Umständen auch die Folgekosten eines Verfassungs-Europas bewältigen. Die Agenda 2007 erschöpft sich aber nicht in diesen absehbaren Herausforderungen. Wer kann bereits heute voraussagen, auf welche globalen Ereignisse die EU als System politische und damit auch finanzielle Antworten wird geben müssen?

Einer planmäßigen politischen Einigung über die Finanzen stehen die Partikularinteressen der Mitgliedstaaten entgegen. Sie halten am Prinzip juste retour fest: Möglichst sollen die Finanzmittel, die der EU zur Verfügung gestellt werden, wieder in die nationalen Kassen zurückfließen. Im optimalen Fall stehen im Nettosaldo sogar schwarze Zahlen. Wenn alle Staaten aber finanzielle oder politische Gewinne erzielen wollen, dann müssen komplexe und teilweise bizarre package deals vereinbart werden. Deren Transaktionskosten stehen in keinem Verhältnis zum politischen output der Union. Hierin liegt mittelfristig eine Existenzbedrohung der EU: Der de facto höchsten föderalen Ebene werden die Finanzmittel vorenthalten, die sie benötigt, um europäische Interessen auf globaler Ebene durchzusetzen und damit die Mitgliedstaaten effektiv nach außen zu vertreten und zu schützen. Gleichzeitig zieht die EU, ob sie es will oder nicht, einen Großteil ihrer Existenzberechtigung aus der sinnvollen Verwendung ihrer Finanzmittel. Den EU-Bürgern wird es nicht mehr länger erklären zu sein, warum beispielsweise der kleinen Gruppe von Landwirten ein Großteil des Gemeinschaftsbudgets zufallen soll.

Außerdem stellt sich die Frage, ob die EU ein finanzielles Transfersystem sein soll oder nicht eher verstärkt eigene Güter bereitstellen muss, die der Zukunftssicherung und der Sicherheitsvorsorge dienen sollten: Alle Maßnahmen, die die Europäische Einigung und die Rolle der EU in der Welt flankieren und damit einen grenzüberschreitenden oder externen Charakter haben, sind als politische Zielsetzungen effektiver als die Aufrechterhaltung unpopulärer und fragwürdiger Subventionssysteme.


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