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Bildung und Wettbewerbsfähigkeit in Europa

Vertiefungsseminar in Brüssel - Eva Feldmann-Wojtachnia vertritt das C·A·P im Team Europe

26.09.2007 · Forschungsgruppe Jugend und Europa



Passender hätte die Kommission den Termin für die Tagung "Gut ausgebildete Europäer für ein wettbewerbsfähiges Europa" vom 20.-21.09.07 in Brüssel nicht terminieren können als mit dem zeitgleichen Erscheinen der aktuellen OECD-Studie. Denn bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin hatte OECD-Generalsekretär Angel Gurria den strategischen Wert einer leistungsfähigen tertiären Ausbildung für den wirtschaftlichen Wachstum und den sozialen Fortschritt in Europa unterstrichen. Zum erneuten Mal bescheinigt auch die diesjährige Studie Deutschland eher bescheidene Ergebnisse. Hierzu gehören in erster Linie der eklatante Mangel an ausgebildeten Akademikern in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern und im Schulbildungsbereich. Zugleich wies der Generalsekretär der OECD auf die besorgniserregende Korrelation von sozialer Herkunft und höherer Bildung hin. Im europaweiten Vergleich zeigten sich speziell in Deutschland große Defizite in der Förderung von benachteiligten Familien.

Wie kann die Europäische Union die Qualität von Bildung trotz grundsätzlich nationaler Zuständigkeit im Bildungssektor entscheidend verbessern und zu einer Überwindung des weitreichenden Bildungsgefälles in Europa aktiv beitragen? Zur vertiefenden Diskussion dieser und ähnlicher Fragen zur europaweiten Stärkung des Zusammenhangs von Bildung und Wettbewerbsfähigkeit hatte die Generaldirektion Kommunikation über hundert Vertreterinnen und Vertreter des EUROPE DIRECT Netzwerks und des Team Europe aus allen 27 Mitgliedstaaten der EU nach Brüssel geladen. Als Mitglied des deutschen Team Europe, einem von der Kommission koordinierten Redner- und Expertenteam, vertrat Eva Feldmann-Wojtachnia die Forschungsgruppe Jugend und Europa bei dieser Tagung.

Eingeleitet wurde die Konferenz mit einem Vortrag von Maruja Gutierrez-Diaz, Referatsleiterin Innovation und transversale Politik im Direktorat für lebenslanges Lernen der GD Bildung und Kultur der Europäischen Kommission. Sie stellte in ihrem Beitrag die Ziele und Leitlinien der EU-Politik für die allgemeine und berufliche Bildung zu Forschung und Innovation dar. Hierbei unterstrich sie, dass die EU Kommission mit den Benchmarks der Lissabon-Strategie für 2010 ein Monitoringinstrument geschaffen habe, welches ermögliche, sich der Innovationsherausforderung europaweit angemessen zu stellen. Mit dem Wechsel zu einer zeitgemäßen europäischen Innovationsgesellschaft, die in Zukunft die Wissensgesellschaft ablöse, ist ihrer Einschätzung nach ein neuer dialektischer Imperativ für die Wettbewerbsfähigkeit Europas gesetzt, welcher sich aus der Reziprozität von Bildung und Innovation herleite. Bildung muss die Innovationsfähigkeit der Gesellschaft stärken und gleichzeitig muss Innovation die Bildung selbst auf diese neue Aufgabe vorbereiten. Nur dann also, wenn Bildung und nationale Bildungspolitik selbst innovativ sei, kann sie auch Innovation als Ergebnis von Bildungsprozessen europaweit hervorbringen. Die Kommission hat aus diesem Grund das Jahr 2009 auch zum "Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation" erklärt. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass diese Richtung bereits in zahlreichen Einzelinitiativen in den einzelnen Mitgliedsstaaten eingeschlagen wurde. Jedoch fehle es vielerorts an einer konstruktiven Veränderung der Rahmenbedingungen im nationalen Bildungssektor und einer grundlegenden harmonisierten Bildungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten.

Diesen Aspekt untermauerte der nachfolgende Vortrag von David Crosier, dem Direktor für Programmentwicklung der European University Association. Unter dem Thema "Auf dem Weg zu einem Europäischen Hochschulraum" stellte er europaweite Umfrageergebnisse zur Angleichung der Hochschulausbildung dar. Als hinderlich erweise sich trotz aller positiver Bemühungen jedoch die Tatsache, dass letztlich jeder Mitgliedsstaat der Ansicht sei, seine Hochschulausbildung sei die beste in Europa und daher letztlich nicht vollständig mit den anderen Systemen kompatibel. Er unterstrich bei der Schaffung eines europäischen Hochschulraums den großen Einfluss des Studentenaustauschprogramms Erasmus, welches eine konstruktive und für die wirtschaftliche Leitungsfähigkeit in Europa notwendige 'brain circulation' stärke. Unabdingbar hierbei sei eine maximale Verwirklichung von Partizipation der Studentenschaft an den Bildungsprozessen zur nachhaltigen Unterstützung des 'life long learning' Konzepts. Wichtig für den sozialen Zusammenhalt der europäischen Gesellschaft sei dabei auch eine bessere Verzahnung von informellen, formalen und nichtformalen Bildungsangebote.

Zu bedenken gilt hier nach Ansicht der Forschungsgruppe Jugend und Europa jedoch:

  1. Es darf nicht bloß zur Vermehrung ein und desselben Leistungsanspruchs in den unterschiedlichen Bildungskontexten kommen. Vielmehr geht es um eine kluge Abstimmung der entsprechenden Angebote. Denn der Mehrwert liegt gerade bei der umfassenden Zusammenführung der unterschiedlichen Bildungsinhalte aus allen drei Sektoren.
  2. Auch müsste mit dem Studentenaustausch im selben Maße ein gezielter und breiterer Austausch der Hochschullehrenden einhergehen, um tatsächlich den Weg für Innovation durch die Universitäten zu europäisieren und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

In diese Richtung zielte der letzte inhaltliche Input von Helena Real, Referentin für Bildung und Neue Mitgliedsstaaten bei der NGO Solidar. Sie zeigte auf, wie die EU Politik für allgemeine und berufliche Bildung sich den Herausforderungen des sozialen Zusammenhalts stellt. Bildungsinstrumente und die Ausgestaltung der Bildungspolitik liegen in der Hand der jeweiligen Gesellschaft der Mitgliedsstaaten. Daher seien gerade gesellschaftliche Akteure besonders dazu aufgerufen, Bildung dazu zu nutzen, die Gesellschaft aktiv zu gestalten.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung bekamen die Teilnehmenden am zweiten Tag die Möglichkeit, sich in Arbeitsgruppen über ihre Erfahrungen und jeweiligen nationalen und lokalen Arbeitshintergründe und Bildungsansätze auszutauschen sowie dabei ihre Präsentationsfähigkeiten zu qualifizieren. Auch hier wurde deutlich, dass im Einzelnen Konkurrenz und nationale Vorsprünge im Sinne eine Bildungsrankings für die Praktiker keine Rolle spielen. Eher wurden weitreichende Übereinstimmungen in den Zielen bei der Vermittlung von Europa sichtbar. Das "Voneinander Lernen" bei unterschiedlichen Ansätzen zur Umsetzung offenbarte sich hier als ein konstruktiver Weg zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa – zumindest im Bildungsbereich.

Wie dieses Element wie auch best pratice gemeinsam nutzbar zu machen ohne nationale Reibungsverluste ebenso fruchtbar auf harte Bereiche im Wirtschaftsektor übertragen werden kann, sollte als Thema bei einer weiteren Veranstaltung aufgegriffen werden. Ebenso wäre es begrüßenswert, wenn die vielfältige Expertise aus den verschiedenen Ländern und Kontexten in thematisch gebündelten Arbeitsgruppen (wie beispielsweise die Frage nach der Europaerziehung im Kindergarten) spezifischer betrachtet und gezielter zusammengeführt würde. Dies bedeutet, hilfreiche methodische Ansätze und die entsprechenden jugend- bzw. zielgruppengerechten Inhalte gemeinsam voranzubringen und – wie der Name schon sagt – konstruktiv an der Umsetzung der Lissabonziele mitzuarbeiten. Diesen Willen bekräftigte eine Großzahl der Teilnehmenden im Rückblick auf die Veranstaltung. An den Ideen für die Zukunft dürfte es also nicht mangeln. Vielmehr liegt die Krux darin, wie sich diese als ernst zu nehmender gesamteuropäischer Bildungsanspruch im harten Alltagsgeschäft der aktuellen Politikprozesse auf nationaler und europäischer Ebene als anschlussfähig zu behaupten wissen.


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