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Das Vertrauen wächst

Nationale Grenzen verlieren im Schengen-Raum der EU an Bedeutung

Für nationale Grenzen ist in der europäischen Vergangenheit viel Blut geflossen. Umso besser, dass sie nun an Bedeutung verlieren, sagt Roman Maruhn vom Centrum für angewandte Politikforschung in München. Aus seiner Sicht gibt es deutlich mehr Vor- als Nachteile.

Das Interview führte Antje Berg von der Südwest Presse.

18.12.2007 · Südwest Presse



Welche Bedeutung hat die Erweiterung des Schengen-Raumes für die Europäische Union?

Es ist erneut ein wichtiger Schritt zur europäischen Einigung. Auch die Bürger aus den im Jahr 2004 beigetretenen Mitgliedsstaaten genießen nun unbeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb der EU. Nicht zu unterschätzen ist, dass der Ost-West-Gegensatz dadurch weiter abgebaut wird.

Welche Vorteile hat der Wegfall der Grenzkontrollen?

Vor allem wir Deutsche können uns freuen, dass nationale Grenzen, für die in der Geschichte Europas viel Blut geflossen ist, an Bedeutung verlieren. Wir schälen uns damit noch stärker als Kernland im Herzen der EU heraus, unsere politische und wirtschaftliche Bedeutung in der Union wächst, unsere Lage wird noch stabiler.

Wie wird sich der Alltag verändern?

Die praktischen Vorteile liegen auf der Hand: Der Reiseverkehr zwischen den Ländern läuft flüssiger, lange Wartezeiten entfallen. In den Grenzregionen, gerade auch dort, wo die Linien nach dem Zweiten Weltkrieg recht willkürlich gezogen worden sind, wird der Kontakt zwischen den Menschen enger. Letzteres, das dürfen wir nicht vergessen, ist nach zwei verheerenden Weltkriegen eines der wichtigsten Ziele der europäischen Einigung.

Ist neben allen Vorteilen nicht auch Skepsis angebracht? Werden künftig nicht auch illegale Einwanderer, Schlepper und die organisierte Kriminalität freie Fahrt haben?

Richtig ist, dass die Grenzkontrollen künftig als eine Art Filter wegfallen. Tatsache ist aber auch, dass die meisten Kriminellen sich über Jahre hinweg auf die Kontrollen einstellen und sie mit diversen Tricks umgehen konnten. Wenn man sich nun künftig mit großer Freiheit im EU-Raum bewegen kann, müssen die Außengrenzen umso schärfer kontrolliert werden. Dazu haben sich die Schengen-Staaten verpflichtet.

Sind die wirtschaftlich eher schwachen EU-Mitgliedsstaaten im Osten damit nicht überfordert?

Die Europäische Union unterstützt diese Staaten dabei technisch und finanziell, sodass es für Horror-Szenarien keinen Anlass gibt. Die EU-Außengrenze wird so gut gesichert sein, wie es bisher unsere deutschen Grenzen nach Osten hin waren. Hinzu kommt, dass die Binnenkontrollen noch einmal ausgebaut worden sind.

Die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz ist allerdings noch nicht optimal.

Sie funktioniert recht gut, wird aber in Zukunft noch intensiviert werden müssen. An diesem Beispiel lässt sich im übrigen schön zeigen, wie die europäische Integration voranschreitet: Gibt es Fortschritte, wie den Wegfall der Grenzkontrollen, wird eine noch engere Zusammenarbeit notwendig.

Sie allein wird nicht genügen, um das Vertrauen der Menschen in die EU zu stärken.

Nein, aber je öfter auf europäischer Ebene Entscheidungen getroffen werden, die sich positiv für die Bürger auswirken, desto stärker werden sich die Menschen mit Europa identifizieren. Dafür gibt es neben der Einführung des Euro und dem erneuten Wegfall von Grenzkontrollen inzwischen einige gute Beispiele. So etwa die Fluggastrechte und die Deckelung der Roaming-Tarife für Mobiltelefone, kurzum die Stärkung von Verbraucherrechten. Ich bin überzeugt davon, dass die EU-Kommission in diesem Sinne fortfahren wird. Je mehr Leistungen und Rechte die EU ihren Bürger gibt, desto rascher wächst das Vertrauen in sie.


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