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Nach der Aufweichung des Stabilitätspakts

Schadet dieses Gezerre dem Euro? tz-Interview mit Roman Maruhn.

Interview: Monika Reuter

23.03.2005 · tz München



Finanzminister Hans Eichel ist zufrieden, der DGB ist erleichtert, die Union spricht von einer "Einladung zum Schuldenmachen" und "haushaltspolitischem Schlendrian". Trotzdem beschlossen die in Brüssel tagenden Staats- und Regierungschefs gestern Abend die Reform des Euro-Stabilitätspakts. Die Finanzminister der Länder hatten am Sonntag ihren mehr als drei Jahre währenden Streit darüber beendet. Die Nichteinhaltung der Stabilitätskriterien wird künftig nicht mehr so rigoros bestraft werden wie bisher. Die tz wollte wissen, welche Auswirkungen diese Regelung auf den Euro hat.

Wird jetzt der Euro jetzt weich?

Roman Maruhn, Finanzexperte beim CAP-Institut: Das kann natürlich passieren. Der Zusammenhang mit dem Stabilitätspakt ist aber nicht so offensichtlich. Bis jetzt sind es eher andere Faktoren, an denen die Härte des Euro hängt – zum Beispiel die Wirtschaftsentwicklung in den USA.

Das heißt, Sie sind optimistisch, dass da gar nichts passiert?

Maruhn: Ich sehe es insofern optimistisch, als man den Stabilitätspakt als Symbol der Europapolitik gerettet hat. Es geht ja eher darum, dass er weiter existiert und wieder Grundlage für die Koordinierung der Haushalte ist. Damit wird der Öffentlichkeit zumindest an der Oberfläche das Gefühl gegeben, dass er nicht gebrochen wird.

"...an der Oberfläche" hört sich aber trügerisch an. Oder?

Maruhn: Diese Reform ist ja gar keine richtige. Man passt lediglich die Regeln dem Verhalten der Mitglieder an. Das ist ungefähr so, als wenn man die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in der Stadt von 50 auf 70 km/h hochsetzen würde mit der Begründung: Auf den großen Straßen wird sowieso eher 70 als 50 gefahren.

Wie groß ist denn die Gefahr, dass jetzt auch andere Länder besondere Situationen geltend machen, wenn sie die 3-Prozent-Hürde reißen?

Maruhn: Diese Gefahr halte ich für gegeben. Die beiden Kriterien, dass Kosten für die europäische Einheit berücksichtigt werden können und Sonderbelastungen wie im Falle Deutschlands, das öffnet letztendlich Tür und Tor auch für andere Mitgliedstaaten. Zumal es da ähnliche Probleme wie die deutsche Wiedervereinigung gibt. Die Italiener könnten zum Beispiel ihr drastisches Nord-Süd-Gefälle anführen. Und die Holländer, dass sie die größten Pro-Kopf-Zahler für die EU sind. Das alles könnte als Entschuldigung herhalten.

Ohne richtige Bremse können die Schulden da nicht ins Uferlose wachsen?

Maruhn: Es fällt auf alle Fälle eine Menge europäischer Druck weg. Wir waren ja auch schon einmal bei unter 60 Prozent Gesamtverschuldung. Mittlerweile sind wir bei ungefähr 64 Prozent. Unsere Staatsschulden wachsen also weiter, statt zurückzugehen. Das pädagogische Ziel, dass die einzelnen Staaten ihre Schulden abbauen, ist mit dieser Reform des Stabilitätspaktes, wirklich weich geworden.

Edmund Stoiber sagt: Diese Regelung werde die Deutschen noch schwer zu stehen kommen. Hat er Recht?

Maruhn: Das ist natürlich Parteipolitik. Aber die Rückzahlung von Schulden ist unter Umständen jetzt günstiger als in vielleicht 20 Jahren, wo wir generell viel weniger Erwerbstätige haben werden.

Peter Gauweiler lässt gerade prüfen, inwieweit eine Rückkehr zur D-Mark möglich wäre. Was halten Sie denn davon?

Maruhn: Theoretisch wäre das sicher möglich. Aber die Idee macht keinen Sinn, weil der Euro sehr gut funktioniert. Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir einen sehr bissigen Wachhund über die gemeinsame Währung haben: die Europäische Zentralbank (EZB). Die kann zum Beispiel Reformergebnisse korrigieren.

Die EZB hat ja auch schon mit den Zähnen geknirscht...

Maruhn: Ja, natürlich, sie haben es kritisiert. Ich schließe auch nicht aus, dass sie die Zinsen hochsetzen werden. Und das würde uns Deutschen am meisten wehtun. Damit wäre Eichels Aktion ein Pyrrhussieg gewesen.

Könnte der neue Stabilitätspakt vielleicht auch der Anfang davon sein, dass die großen Staaten ihre nationalen Interessen gegen die kleinen durchsetzen?

Maruhn: Diese Tendenz gibt es in der Europapolitik schon seit langer Zeit. Dass jetzt Deutschland so massiv seine nationalen Interessen durchsetzt und dabei überhaupt nicht auf das europäische Interesse Rücksicht nimmt, das ist ein sehr deutliches Zeichen. Dass alle sich auf den Kompromiss geeinigt haben, zeigt letztendlich, wie wenig wichtig das Thema genommen wird. Vielleicht auch, weil man davon ausgeht, dass man den Stabilitätspakt in der Praxis nicht braucht.

Wieso das jetzt?

Maruhn: Der Euro ist in der letzten Zeit immer stärker geworden obwohl wir die Belastung mit dem Stabilitätspakt haben. Die Märkte bestrafen die Brüsseler Entscheidungen zum Stabilitätspakt letztendlich nicht.


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