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„Zentrale Herausforderung für Kanzleraspiranten ist es, Macht zu gewinnen und Macht zu erhalten“

C·A·P-Kolloquium mit Prof. Dr. Gerd Langguth

08.03.2013 · C·A·P



In seiner letzten Sitzung im Wintersemester 2012/13 wurde das Forschungskolloquium des Centrums für angewandte Politikforschung von Prof. Dr. Gerd Langguth besucht. In seinem beeindruckenden Leben war Prof. Langguth unter anderem Bundesvorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten, von 1976-1980 Bundestagsabgeordneter der CDU, Mitglied des CDU-Bundesvorstands, Direkter der Bundeszentrale für politische Bildung, Staatssekretär, Leiter der Vertretung der EG Kommission in der Bundesrepublik sowie geschäftsführender Vorsitzender der Konrad Adenauer Stiftung. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit an der Universität Bonn hat er sich insbesondere auf die Europäische Integration sowie auf Institutionen, Parteien und Entscheidungsprozesse in der Bundesrepublik Deutschland spezialisiert. Zudem ist er durch seine Biographien etwa über Angela Merkel und Horst Köhler bekannt. Eine seiner bekanntesten Publikationen in den letzten Jahren „Kohl, Schröder, Merkel: Machtmenschen“ wurde nun im C·A·P-Forschungskolloquium unter der Anwesenheit weiterer hochrangiger Experten auf diesem Gebiet, wie etwa Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld, diskutiert. In seinem Vortrag umriss Langguth in sehr komplexer und anschaulicher Art und Weise die wichtigsten Karrierestationen der Machtpolitiker und zentralen Ereignisse in der Vita der sehr unterschiedlichen Kanzlerpersönlichkeiten. Insbesondere setzte er sich mit den Facetten der Macht und etwaigen Parallelen zwischen Kohl, Schröder und Merkel auseinander.


Gerd Langguth und Werner Weidenfeld

Zunächst wurde die Frage geklärt, inwieweit Anekdoten oder Geschichten in den Biographien von einflussreichen Persönlichkeiten eine Rolle spielen. So war Gerhard Schröder schon in seiner Jugendzeit als ausgesprochen ehrgeiziger Kämpfer am Fußballplatz bekannt. Auch bei Helmut Kohl war schon früh der Wille zur Macht zu erkennen. Als zentrale Gemeinsamkeit auf dem Weg zur Machterlangung von Merkel, Schröder und Kohl stellte Langguth heraus, dass sie alle lange Zeit von der parteiinternen und externen Konkurrenz unterschätzt wurden. Auf dem Weg zur Macht verfolgten sie jedoch sehr unterschiedliche Strategien. Merkel verzichtete 2002 auf die Kandidatur zu Gunsten von Stoiber, um 2005 in einer besseren Situation als Siegerin aus den Bundestagswahlen hervorzugehen. Kohl scharrte vor allem die Partei hinter sich und etablierte die Union als seine elementare Machtzentrale. Kohl nahm jedoch mit fortlaufender Regierungszeit viele seiner Unterstützer zunehmend als Rivalen wahr. Zentral für seine Machtausstrahlung war zudem seine dominante Körpersprache. Ganz im Gegensatz dazu gab Schröder seinen Parteivorsitz ab und distanzierte sich in einigen Sachthemen als dominante Einzelfigur von der SPD. Seine Machtstellung konnte er auch aufgrund von unauffälligen, fähigen Mitarbeitern wie Frank Walter Steinmeier in den ersten Regierungsjahren stabilisieren.

Diskutiert wurde, inwieweit Kindheitserfahrungen oftmals zentrale Motivation für den Willen zur und den Umgang mit Macht sind. So war Merkels Vater eine sehr autoritäre Persönlichkeit mit Verbindungen zum Weißenseer Kreis. Merkel wird hingegen weithin als antiideologisch, pragmatisch und utilitaristisch eingeschätzt. Im Gegensatz dazu war Kohl konservativ und in seiner Einstellung, so Langguth, eine "westfälische Eiche".

Alle drei vereint der unbedingte Wille zur Macht. Voraussetzung dafür ist der nahezu uneingeschränkte Glaube an sich selbst. Nicht unbedingt der intellektuellste, sondern der strategisch Denkende hat die Möglichkeit, Kanzler zu werden.

Unterschiede gibt es etwa bei der Motivation zur Macht. Schröder, der aus einer Arbeiterfamilie stammt, wurde vom Verlangen nach sozialem Aufstieg getrieben, Kohl sehnte sich nach gesellschaftlicher Akzeptanz und bei Merkel spielt sicherlich die Emanzipation vom Elternhaus eine relevante Rolle. Weiterhin unterscheiden sich die drei Machtmenschen in ihrer ideologischen Grundhaltung. Während Kohl Konservatismus verkörperte und Schröder oftmals als Mittel zum Zweck ideologisch auftrat, ist Merkel in ihrem Politikstil nahezu ideologiefrei. Darüber hinaus unterscheiden sie sich im Verhältnis zur eigenen Partei. Für Kohl war die Union ein "Familienersatz", Schröder setzte sich gegen den Willen der Partei durch. Merkel ist Parteivorsitzende und parteiintern derzeit nahezu unumstritten und ohne Konkurrenz. Gemeinsam ist allen, dass sie den Kanzlerbonus zum eigenen Vorteil funktionalisieren. Allerdings gehen sie mit der damit einhergehenden Macht sehr unterschiedlich um. Insbesondere im Umgang mit den Medien zeigen sich dabei grundsätzliche Unterschiede etwa zwischen Merkel und Schröder. Merkel pflegt einen "eher dezenten Umgang mit der Macht". Medial wird sie als sympathisch und pragmatisch eingestuft. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass sie nur sehr selten Interviews gibt und sehr genau auswählt, welche Journalisten an welchen Veranstaltungen teilnehmen. "Sie ist mehr Medienkanzlerin als Schröder" und wird daher auch deutlich positiver dargestellt. Nahezu alle einflussreichen Medieninstitute pflegen einen sehr respektvollen Umgang mit der Bundeskanzlerin. Im Anschluss diskutierte das Plenum des Forschungskolloquiums weitere Fragen, die sich mit der Person eines Bundeskanzlers beschäftigen. So wurde die Frage in den Raum gestellt, ob Parteien und Regierungen überhaupt noch wie in der Ära Kohl geführt werden können. Zudem erörterte man die Bedeutung von Kampfthemen und Schlüsselereignisse für Machterhalt und Machtverlust wie die Niederlage der SPD bei der Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen.


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