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Deutsch-französische Perspektiven auf die Parteienlandschaft

Workshop in Paris

20.02.2008 · Forschungsgruppe Deutschland



Wie sieht die Zukunft der Parteien in Deutschland und Frankreich aus? Mit dieser Frage beschäftigten sich deutsche und französische Wissenschaftler bei einem Workshop, den das Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) gemeinsam mit dem Institut français des relations internationales (Ifri) und mit Unterstützung der Konrad Adenauer Stiftung am 14. und 15. Februar 2008 in Paris organisierte. Ihr Ziel: als deutsch-französische Forschungsgruppe gemeinsame Analysezugänge für eine Publikation zu entwickeln, die sich mit den aktuellen Entwicklungen der Parteien in den beiden Ländern befasst. Dr. Manuela Glaab (C·A·P), die gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Claire Desmesmay (Ifri) das Projekt angestoßen hat, beschrieb zu Beginn des Treffens die Herausforderung: "Es soll ein Buch aus einem Guss entstehen."


Nicole Fontaine

Dass eine gemeinsame Sichtweise gar nicht so selbstverständlich ist, war bereits bei der öffentlichen Auftaktveranstaltung deutlich. geworden. Bei einem Vortrag der ehemaligen Präsidentin des europäischen Parlaments und heutigen Europaabgeordneten, Nicole Fontaine, zum "Stand der deutsch-französischen Beziehungen kurz vor der französischen EU-Präsidentschaft" klangen durchaus einige Differenzen an – etwa bei Fragen der Mittelmeerunion oder der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Doch letztendlich zog die Europapolitikerin das optimistische Resümee, es gäbe sehr viel weniger grundsätzliche Probleme als gelegentliche Kommunikationsprobleme.

Bei der Beschäftigung mit den nationalen Parteiensystemen in den deutsch-französischen Arbeitsgruppen wurde aber sehr bald klar: Das jeweilige Nachbarland, das in vielem politisch und kulturell so nahe scheint, funktioniert gerade im Bereich der Parteien nach einer ganz anderen Logik. Prof. Dr. Jérôme Vaillant (Université Lille 3) stellte das in seinem Impulsreferat am Beispiel der gesetzlichen Rahmenbedingungen dar: Die parlamentarische Demokratie in der Bundesrepublik sei eine echte Parteiendemokratie. Das Parteiengesetz diene dazu, die Rolle der Parteien zu stärken. Frankreich mit seinem semipräsidentiellen System beschränke die Rolle der Parteien in seiner Verfassung. Idealer Weise sollte der Präsident sogar über den Parteien stehen. Auch gebe es in Frankreich einen ganz anderen Gebrauch des Begriffs "Mehrheit" als in Deutschland. Während die Deutschen damit fast immer eine absolute Mehrheit meinten und diese auch für nötig hielten, um zu regieren, beziehe sich der Mehrheitsbegriff der Franzosen auf die relative Mehrheit.

Dr. Wolfram Vogel (deutsch-französisches Institut Ludwigsburg, Paris) betonte in seinem Referat die Unterschiede im Bedeutungsgehalt des Wortes "Partei": In Deutschland sei damit die Organisationspartei gemeint, in Frankreich die Strömungspartei. Auch werde in Frankreich der Begriff "parti" nur von der Linken gebraucht. Auf konservativer Seite spreche man lieber von einer "Bewegung" oder einer "Vereinigung". In seinem Vortrag wandte er sich allerdings auch gegen das in Deutschland verbreitete Bild von den schwachen Parteien in Frankreich: "Verglichen mit den deutschen Parteien sind die Parteien in Frankreich schwach. Verglichen mit den französischen Parteien der IV. Republik sind die Parteien im heutigen Frankreich der V. Republik stark." Auch wenn oberflächlich viele Spaltungen und Auflösungen zu beobachten seien, bestehe ein hohes Maß an Kontinuität. Die Präsidentialisierung habe die Profilbildung der Parteien gefördert. Die Präsidentschaftswahlen seien praktisch zu Parteienwahlen geworden und die Parlamentswahlen zu den eigentlichen "Königswahlen". Denn nur ein Präsident mit einer starken Parlamentsmehrheit sei ein starker Präsident.

In Dr. Christoph Egle (Ludwig-Maximilians-Universität München) regte sich in der anschließenden Diskussion ein "intuitiver Widerspruch" gegen Vogels These, wonach die Präsidentialisierung die Parteien stärke. Auch PD Dr. Stefan Marschall (Universität Düsseldorf) vermutete, dass die Präsidentialisierung vielmehr zur Entparlamentarisierung führe. Hervé Joly (Université Lumière Lyon 2) erklärte daraufhin, die Parteien seien in Frankreich bei den Wahlen sehr wichtig – nach den Wahlen, etwa bei der Auswahl der Minister, hingegen von nachgeordneter Bedeutung.


Nach diesen ersten Einblicken fanden sich die deutsch-französischen Autorenteams in Workshops zusammen, die sich zum einen mit aktuellen Entwicklungen der Parteiensysteme, des Wahlverhaltens und des Campaingnings in Frankreich und Deutschland befassten. Zum anderen wurden die Programmdebatten in beiden Ländern dahingehend beleuchtet, inwieweit sich hier Konvergenzen oder aber Divergenzen feststellen lassen. Dabei ging es vor allem darum zu klären: "Was sind die Zukunftsfragen? Und welche Antworten haben die Parteien darauf?"

Die Forschungsergebnisse werden voraussichtlich im Frühjahr 2009 publiziert, in dem von Claire Dememay und Manuela Glaab herausgegebenen Band: "L’avenir des partis politiques – perspectives franco-allemandes" (Septentrion Presses Universitaires).


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