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Die Stunde des Präsidenten

Strategische Konsequenzen der Bundespräsidentenwahl 2009 - Tagung in Kreuth

Kooperationsveranstaltung der Forschungsgruppe Deutschland des C·A·P. zusammen mit der Hanns-Seidel-Stiftung und der Forschungsgruppe Regieren der Universität Duisburg-Essen.

6. – 8. Juni 2008, Bildungszentrum Wildbad Kreuth

13.06.2008 · Forschungsgruppe Deutschland




Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können. Wenige Tage nachdem die SPD verkündet hatte, mit Gesine Schwan eine eigene Kandidatin ins Rennen um das höchste Staatsamt Deutschlands zu schicken, trafen sich Experten in Wildbad-Kreuth, um über die strategischen Konsequenzen der Bundespräsidentenwahl 2009 zu diskutieren. "Die Stunde des Präsidenten" lautete der Titel der Tagung vom 6. bis 8. Juni 2008, mit der die Reihe von Kooperationsveranstaltungen der Forschungsgruppe Deutschland des Centrums für angewandte Politikforschung (C·A·P), der Hanns-Seidel-Stiftung und der Forschungsgruppe Regieren der Universität Duisburg-Essen fortgesetzt wurde. Auch dieses Mal zeichnete sich die Veranstaltung durch einen intensiven, praxisorientierten Austausch zwischen den Teilnehmern aus Wissenschaft, Politik, Bürokratie und Medien aus.


Die C·A·P-Fellows Prof. Dr. Dr. Karl-Rudolf Korte (Universität Duisburg-Essen; 2.v.r.) und Staatssekretär a.D. Wolfgang Nowak (ehem. Abteilungsleiter Bundeskanzleramt; l.) zusammen mit Staatssekretär a.D. Rüdiger Frohn (ehem. Chef Bundespräsidialamt; 2.v.l.) und Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld (Direktor des C·A·P; r.)

Den Auftakt der Tagung bildete nach der Begrüßung durch Dr. Gerhard Hirscher (Hanns-Seidel-Stiftung) ein Beitrag von Prof. Dr. Dr. Karl-Rudolf Korte (Universität Duisburg-Essen). Für Korte ist der Bundespräsident ein politischer Machtakteur in allen drei Arenen des Politikmanagements, dessen Wirkungschancen sich mit dem Ausbau der Mediendemokratie strukturell deutlich verbessert hätten. Seine Handlungskorridore hingen entscheidend vom Verhältnis zum Bundeskanzler ab, weshalb die Geschichte der Bundespräsidenten immer auch die Geschichte der Bundeskanzler sei. Die Stunde des Präsidenten schlage dabei in einer "Patt-Republik", wenn Bundespräsidenten auch Kanzlermacher sein könnten. Die zeitliche Nähe zur Bundestagswahl 2009 lasse den aktuellen "Präsidentenpoker" auch zum Testgelände für mögliche neue Koalitionskonstellationen werden.


Die Parteienforscher Prof. Dr. Uwe Jun (Universität Trier), Prof. Dr. Lothar Probst (Universität Bremen) und Moderatorin Dr. Manuela Glaab (C·A·P)

Das erste Panel mit Beiträgen von Staatssekretär a.D. Rüdiger Frohn (ehem. Chef der Staatskanzlei NRW, ehem. Chef des Bundespräsidialamtes), Staatssekretär a.D. Wolfgang Nowak (ehem. Leiter der Abteilung "Politische Analysen und Grundsatzfragen" im Bundeskanzleramt), Dr. Gernot Fritz (ehem. Stv. Chef des Bundespräsidialamtes) und Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Weidenfeld (Direktor des C·A·P, Universität München, ehem. Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen) beschäftigte sich mit den Interaktionen von Bundespräsident und Bundesregierung. "Innenansichten der Macht" lieferten zunächst die ehemaligen Spitzenbeamten. Sie beleuchteten das in der Regel störungsfreie und diskrete Verhältnis zwischen Bundespräsident und Bundeskanzler, wobei die Konfliktmenge im Falle einer zunehmenden Einmischung des Bundespräsidenten in die Tagespolitik durchaus anwachsen könne. In diesem Zusammenhang wurde die Frage nach der politischen Legitimation für derartige Interventionen des Bundespräsidenten in das politische Alltagsgeschäft gestellt. Mehrheitlich wurde die These vertreten, dass der Bundespräsident vor allem eine Integrationsfunktion wahrzunehmen habe. Ein stärkeres Eingreifen in tagespolitische Zusammenhänge drohe diese wichtige Funktion zu gefährden und das Amt letztlich überflüssig zu machen. Der Bundespräsident solle folglich dem Bundeskanzler das Regieren überlassen und selbst versuchen, das Land integrativ zusammenzuhalten. Die im Zusammenhang mit dem Amt des Bundespräsidenten oft genannte Unterscheidung zwischen "Hard Power" und "Soft Power" wurde jedoch als überholt bezeichnet. Stattdessen – so das Plädoyer von Weidenfeld – sollte mit Blick auf die akteursspezifischen Führungsqualitäten besser von "Smart Power" die Rede sein.


Medienvertreter Lutz Hachmeister und Tissy Bruns in Diskussion

Das zweite Panel diskutierte über das Thema "Die Bundesversammlung 2009. Parteiensystem, Koalitionskonstellation, Aufmerksamkeitsmanagement." Aus den Blickwinkeln der Regierungsforschung, der Parteienforschung, der Wahlforschung und der Kommunikationsforschung lieferten hierzu Impulse: Dr. Timo Grunden (Forschungsgruppe Regieren, Universität Duisburg-Essen), Prof. Dr. Uwe Jun (Institut für Politikwissenschaft, Universität Trier), Prof. Dr. Lothar Probst (Leiter Arbeitsbereich Wahl-, Parteien- und Partizipationsforschung, Universität Bremen), Prof. Dr. Gerd Mielke (Arbeitsgruppe Wahlen Freiburg, Universität Mainz), Dr. Lutz Hachmeister (Direktor Institut für Medien- und Kommunikationspolitik Berlin) und Tissy Bruns (Leiterin Parlamentsbüro "Der Tagesspiegel" Berlin). Eine immer wieder geforderte Ausweitung der Kompetenzen für den Bundespräsidenten – so auch durch Horst Köhler – stieß weitgehend auf Ablehnung. Kontroverser diskutiert wurde hingegen der Zusammenhang zwischen Wandlungstendenzen des bundesrepublikanischen Parteiensystems und des Wählerverhaltens mit der Bundespräsidentenwahl 2009. Unter anderem wurde dabei die These vertreten, dass die Bundesversammlung in jedem Fall zu einer Enttabuisierung der "Linken" beitragen und stellvertretend für das kollektive Führungsversagen in allen etablierten Parteien stehen werde.

Den Abschluss der Tagung bildete ein drittes Panel, in dem der Frage nachgegangen wurde, inwieweit der Bundespräsident als politischer Impulsgeber agieren könne. Nach einer Einschätzung aus praktisch-politischer Perspektive durch Hartmut Koschyk (MdB, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag), gaben Prof. Dr. Gerd Langguth (Publizist/Universität Bonn) und Dr. Manuela Glaab (Forschungsgruppe Deutschland, C·A·P Universität München) ihre Statements ab. Glaab plädierte für eine Unterscheidung zwischen den Bereichen des "executive" und des "public leadership". Während der Bundespräsident im Entscheidungssystem primär Verhinderungsmacht besitze, könne er Gestaltungsmacht durch seine Rolle als öffentlicher Impulsgeber wahrnehmen. Kontrovers wurde gleichwohl die Frage diskutiert, ob und inwiefern die Mediendemokratie den Bundespräsidenten stärkt oder schwächt. Einigkeit bestand schließlich bezüglich des Forschungsbedarfs auf diesem Gebiet.


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