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Bildung als Schlüsselfaktor für die Zuwanderungsgesellschaft

Diskussionsforum im Münchner Rathaus

25.10.2007 · Forschungsgruppe Jugend und Europa



Bildung, Bildung, Bildung als der Schlüsselfaktor für demokratische Teilhabe und gelingende Integration - dies war das Fazit einer öffentlichen Diskussion am 16. Oktober 2007 im Münchener Rathaus mit Dr. Albert Schmid, dem Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Nürnberg) und Cumali Naz, dem Vorsitzenden des Ausländerbeirats der Landeshauptstadt München. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München Christian Ude und moderiert von Eva Feldmann-Wojtachnia (Forschungsgruppe Jugend und Europa am C·A·P).


Dr. Albert Schmid, Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Eva Feldmann-Wojtachnia (C·A·P) und Cumali Naz, Vorsitzender des Ausländerbeirates München.

Das Thema des Abends „Integration und demokratische Teilhabe – Wie definiert sich die Zuwanderungsgesellschaft?“ rief bei den überaus zahlreich erschienenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine rege Diskussionsfreude hervor. Das weitreichende und vielfältige Interesse bestätigte den Ausländerbeirat und die Mitveranstalter Georg-von-Vollmar-Akademie e.V., die InitiativGruppe Interkulturelle Begegnung und Bildung e.V. sowie die Forschungsgruppe Jugend und Europa am C·A·P in ihrem Ansatz. Denn es erschien ihnen notwendig, für einen konstruktiven Diskurs über die bundesdeutsche Migrationspolitik die Frage nach der demokratischen Teilhabe zu thematisieren und dabei die strukturellen und individuellen Voraussetzungen in den Fokus einer offenen und ehrlichen Betrachtung zu rücken.

Migration hat viele Gesichter und nur ein multilateraler Politikansatz, der weit über das Sprachkursangebot für Zuwanderer hinausreicht, kann den umfassenden sozialen und politischen Integrationsaufgaben von Bund, Land und Kommune Rechnung tragen. Ausgehend von dieser Grundthese legte Dr. Albert Schmid in seinem Vortrag „Stand und Perspektiven der bundesdeutschen Integrationspolitik“ dar. Im Anschluss hieran trug Cumali Naz seine Einschätzung des gesellschaftlichen Integrationsverständnisses in Deutschland vor. Anhand von zahlreichen kritischen Einzelbeispielen wie

  • dem erschwerten Zugang zu Arbeitsplätzen,
  • dem fehlenden kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger und
  • die Abweisung von Migrantinnen und Migranten auf dem freien Wohnungsmarkt,

zeigte er auf, dass der rechtliche Maßnahmenkatalog der Bundesregierung durch eine möglichst offene kommunale Politik erweitert werden muss, um die Basis zur Schaffung einer weitreichenden gesellschaftlichen Anerkennungskultur zu schaffen. In seinem Kommentar unterstrich er, dass Integration mit gegenseitigem Respekt einhergeht und neben den entsprechenden politischen Maßnahmen nur mit ausreichendem Vertrauen und großem Engagement im zivilgesellschaftlichen Bereich gelingen kann.


Christian Ude, Oberbürgermeister der Stadt München, bei der Eröffnungsrede.

Integration heißt, mehrere gleichwertige demokratische Ziele in Politik und Gesellschaft zu verwirklichen, so zu verwirklichen, dass der Zugang zu den gesellschaftlichen Gütern für alle möglich ist. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass dies in der Praxis jedoch eine diffizile Gratwanderung darstellt zwischen

a) den rechtlichen Steuerungsmaßen von Zuwanderung,

b) der politischen Gewichtung von demokratischen Werten und

c) dem Schutz vor möglicher diskriminierender Wirkung.

Hierbei wurde der hohe Wert von Partizipation für die Integration der gesamten Gesellschaft und die Ausgleichsfunktion von Bildung in diesem Zusammenhang unterstrichen, wobei ein weiter und möglichst umfassender Bildungsbegriff zugrunde gelegt wurde. Zu einer Optimierung der Rahmenbedingungen gehört es beispielsweise auch, die Anerkennung von Qualifikationen und Bildungsabschlüssen aus dem Ausland zu erleichtern. Die Diskussion spiegelte auch die Spannbreite der bundesdeutschen Zuwanderungspolitik wider, die von Flüchtlingsfragen bis hin zur Zuwanderung von Hochqualifizierten im Bereich der green und blue card reicht. In diesem Sinne lebte der Abend selbst von interkultureller Verständigung, wo emotionale, lebenspraktische Erfahrungen und Fachanalyse gewinnbringend aufeinander trafen.

Fazit

  • Als Fundament für eine gelingende Integration sind möglichst weitreichende deutsche Sprachkenntnisse und eine grundsätzliche Anerkennung der demokratischen Grundwerte anzusehen, hierin waren sich Redner und Publikum weitgehend einig. Schwieriger wurde es mit konkreten Fragen zur Umsetzung, wie diese Ziele in der Praxis erfolgreich realisiert werden sollen.
  • Demokratische Teilhabe von Migrantinnen und Migranten muss politisch und gesellschaftlich gewollt sein. Sie verlangt gleichermaßen nach partizipationsfördernden Rahmenbedingungen wie auch nach entsprechenden individuellen Kompetenzen bei den Migrantinnen und Migranten selbst.
  • Integration braucht Dialog und entsprechende öffentliche Austauschforen wie die Veranstaltung im Münchner Rathaus, um unterschiedlichste Akteure und Betroffene über die bestehenden Strukturen hinweg miteinander in Kontakt zu bringen.

In diesem Sinne war es Ziel der Veranstaltung, die Hintergründe für demokratische Teilhabe auszuleuchten und festzustellen, wie Integration durch Bildung in Zukunft besser gelingen kann. Die lebhafte Diskussion zeigte hierbei erste konstruktive Ansätze auf und machte deutlich, an welchen Stellen auf allen Seiten weiterer Diskussionsbedarf besteht. Nun bleibt für die Zukunft zu wünschen, dass ein Austausch dieser Art zahlreiche Verbreitung und vielfältige Nachahmung findet.

Denn mit der Verabschiedung des Nationalen Integrationsplans haben vor gut einem Jahr Regierungs- und Nichtregierungsakteure erstmals verbindlich erklärt, die Vertiefung der Integrationspolitik auf möglichst vielen Ebenen nachhaltig zu verbessern. Hierzu bedarf es einer kontinuierlichen Verständigung darüber, ob die hier vereinbarten politischen Ziele und Selbstverpflichtungen von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren in der Tat ausreichend sind. Welche Erfahrungen wurden bisher mit dem Nationalen Integrationsplan gemacht und welche Konsequenzen zeichnen sich ab? An welchen Kriterien bemisst sich letztlich „gelingende Integration“? Es gehört auch dazu, sich gemeinsam und im Einzelnen darüber zu verständigen, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit demokratische Teilhabe für alle, die daran interessiert sind, möglich ist. Welche Vorbehalte und Wertkonflikte müssen bei der Umsetzung überwunden werden? Welche Aufgabe hat Bildung in diesem Feld?

Diese und ähnliche Fragen sind Schlüsselfragen, die den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Migrationsdiskurs bewegen. Die Forschungsgruppe Jugend und Europa beschäftigt sich im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der Projekte EUROPA IM WANDEL speziell mit der Frage, welche bildungspolitischen Implikationen sich aus der laufenden Debatte für die Jugendpolitik und die Jugendarbeit in der Bundesrepublik Deutschland ergeben.

Projekte der Forschungsgruppe Jugend und Europa werden im Rahmen des Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) gefördert.

Information und Kontakt

Eva Feldmann-Wojtachnia

Dr. Doerthe Winter-Berke


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