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Das Ende der Verständnislosigkeit?

Brüsseler Transatlantik Forum schlägt neue Brücken zwischen Europa und den USA

Das Brüsseler Transatlantik-Forum ist eine Initiative des German Marshall Fund gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung, Daimler Chrysler, der Monitor Group und der belgischen Regierung. Einmal im Jahr soll das Forum den Führungseliten beiderseits des Atlantiks Gelegenheit bieten, sich über die vielfältigen globalen Herausforderungen auszutauschen.

© Meldung und Fotos: Bertelsmann Stiftung

04.05.2006 · C·A·P




Werner Weidenfeld und US-Senator John McCain.

Unverkennbar prägen seit Jahren gegenseitiges Unverständnis und politisch gegensätzlich geprägte Konzepte die transatlantischen Beziehungen. Am vergangenen Wochenende hatte eine neue Plattform Premiere, auf der die langfristigen und gemeinsamen Interessen der Partner wieder offen diskutiert und die Herausforderungen der Gegenwart auf der Grundlage einer gemeinsamen Analyse bestimmt werden sollten. Eine Begegnung mit Potenzial für heftige Kontroverse; doch ein erstes Resumée lässt das Ende der Verständnislosigkeit möglich erscheinen.


Werner Weidenfeld, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung und Direktor des C·A·P, Liz Mohn, stellv. Vorsitzende des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung, König Albert II. von Belgien und Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, (v. l.) beim Forum in Brüssel.


Diskussionen im Plenum des Forums.

Mit dem Ende des Kalten Krieges ging auch die Ära der weitgehend selbstverständlichen Partnerschaft und Einigkeit im transatlantischen Verhältnis zu Ende. Ohne die Zusammenhalt stiftende Bedrohung durch die Sowjetunion trat zutage, dass die Mitglieder der Wertegemeinschaft durchaus in der Lage waren, ihre Interessen ohne allzu große Rücksichtnahme auf die Partner zu verfolgen.

Erst der Terror des 11. September 2001 erzeugte wieder ein Gefühl der Bedrohung, das den Zusammenhalt der transatlantischen Gemeinschaft vorübergehend zu stärken vermochte. Aber auch dabei wurde sehr schnell deutlich, dass die Wahrnehmung der Bedrohung durch den globalen Terrorismus von unterschiedlicher Intensität war. Risse quer durch die transatlantische Gemeinschaft und auch unter den europäischen Partnern waren die Folge. Ein unterschiedlich ausgeprägter Wille zum Einsatz militärischer Macht erzeugte massive Spannungen. Insbesondere Deutschland, aber auch Frankreich, hielten den Vereinigten Staaten vor, nur noch unilateral und völkerrechtswidrig in den Krieg gegen den Terror zu ziehen. In Deutschland war es dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ja sogar gelungen, mit der Warnung vor einem Irak-Feldzug eine schon verloren geglaubte Bundestagswahl zu gewinnen. Aber die Zerwürfnisse reichten weiter als der Umgang mit der akuten Bedrohung durch den Terror - die amerikanische Kritik am Kyoto-Abkommen und das Hintanstellen von Umweltfragen überhaupt bezeugten eine weiter reichende Entfremdung.

Vor diesem Hintergrund erscheint es seit geraumer Zeit schon dringend geboten, über die transatlantischen Verwerfungen in einem größeren Zusammenhang zu reflektieren, denn breites Einverständnis herrschte bei aller Uneinigkeit stets darüber, dass die vielfältigen globalen Herausforderungen letztlich nur gemeinsam zu bewältigen sind. Zu diesem Zweck trafen sich nahezu 300 ranghohe Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von beiden Seiten des Atlantiks am vergangenen Wochenende in der belgischen Hauptstadt Brüssel.


EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso

Zu den Teilnehmern von europäischer Seite gehörten unter anderen EU-Kommissionspräsident Barroso, sein Stellvertreter Günter Verheugen, der EU-Außenbeauftragte Javier Solana, Belgiens Premierminister Guy Verhofstadt, NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sowie der rumänische Präsident Basescu und der georgische Staatschef Saakashvili. Deutschland war unter anderem durch Wirtschaftsminister Michael Glos vertreten.


Bundeswirtschaftsminister Michael Glos

Weitere Vertreter im Ministerrang kamen etwa aus Kanada, Belgien, Polen, Serbien, der Ukraine und Rumänien. Aus den USA waren eine Gruppe von US-Senatoren rund um den einflussreichen Republikaner und möglichen nächsten Präsidentschaftskandidaten John McCain angereist. Ebenfalls dabei die US-Kongressabgeordneten Darrell Issa und Loretta Sanchez, der amerikanische Europa-Staatssekretär Daniel Fried sowie James L. Jones, Supreme Allied Commander Europe. In Europa nicht unbekannt sind auch die transatlantischen Vordenker Richard Holbrooke und Robert Kagan. Aus der Perspektive globaler Wirtschaftsunternehmen hielten der DaimlerChrysler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche und Mark Fuller, CEO der Monitor Group, Einführungsreferate. Ebenso wie Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, der bei dieser Konferenz Vorschläge für gemeinsame europäisch-amerikanische Wirtschaftsinitiativen einbringen konnte. Die stellvertretende Vorsitzende der Bertelsmann Stiftung Liz Mohn begrüßte die Teilnehmer im Rahmen eines Gala-Dinners im Beisein des belgischen Kronprinzen Philippe und Prinzessin Mathilde. Der Vorstand der Bertelsmann Stiftung war überdies noch durch Prof. Werner Weidenfeld vertreten.


Richard C. Holbrooke und US-Senator John McCain.

Ungewöhnlich offen tauschten sich politische, unternehmerische und intellektuelle Führungspersönlichkeiten aus den Vereinigten Staaten und Europa auf diesem ersten "Brüsseler Transatlantik-Forum" über den Zustand der transatlantischen Beziehungen aus. Nach den Spannungen durch den Irak-Krieg wurden die Beziehungen insgesamt als deutlich verbessert bewertet. Senator John McCain forderte, dass Amerikaner und Europäer klar definieren müssten, wofür sie stünden. "Ob wir Iran betrachten, die Vertriebenen im Sudan oder Afghanistan, überall schauen die Menschen auf die Vereinigten Staaten und Europa und erwarten Einigkeit und politische Führung." Nur gemeinsam ließen sich die globalen Bedrohungen abwenden und die Herausforderungen meistern. Insbesondere mit Hinweis auf Iran und dessen nukleare Ambitionen machte McCain deutlich, wie wichtig die transatlantische Zusammenarbeit ist. Er warnte davor, dass ein unkontrollierter Iran zu einem Wettrüsten im Nahen Osten führen könne. McCain schloss auch die militärische Option gegenüber Iran nicht aus, sollten alle anderen Optionen ausgeschöpft worden sein. Besonders kritisch äußerte McCain sich auch zu Russland und forderte die Regierung seines Landes auf, eine härtere Gangart gegenüber der "autokratischen Herrschaft" von Präsident Wladimir Putin einzuschlagen. McCain verwies überdies selbstkritisch auf die umweltpolitischen Versäumnisse seines Landes und räumte dieser Thematik neben den sicherheitspolitischen Herausforderungen einen hohen Stellenwert ein.


NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer und EU-Generalsekretär Javier Solana.

Im Zusammenspiel zwischen Europäischer Union und Nato sah EU-Generalsekretär Javier Solana eine große Intensität des Austausches. "Sagen sie nicht, dass EU und Nato nicht miteinander klar kommen", hob er hervor. Man arbeite zusammen, und dies sei kein bloßer Schönheitswettbewerb. Zum Abschluss der dreitägigen Konferenz in der belgischen Hauptstadt sagte der ehemalige amerikanische Senator und demokratische Vizepräsidentschaftskandidat von 2004, John Edwards, dass die Vereinigten Staaten ein einiges und effizientes Europa brauchten. Es gehe darum, die Welt gerechter zu machen. Dies könne nur gelingen, wenn Amerika und Europa gemeinsam handelten.

Der Präsident des German Marshall Fund, Craig Kennedy, wertete die Konferenz als "neue Dimension des transatlantischen Dialoges", und dieser Dialog solle nach Möglichkeit fortgeführt werden. Josef Janning, Mitglied der Geschäftsleitung der Bertelsmann Stiftung und Leiter der Bertelsmann Forschunggsgruppe Politik am C·A·P, resümierte die Konferenz so: "Das Forum muss wieder erkennbar werden. Es muss zu einem Ort werden, wo die europäische Meinungsbildung stattfindet und der auch von den Amerikanern als permanente Adresse anerkannt wird."


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