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Strategische Regierungsführung in Serbien

Experten-Workshop in Belgrad zum Stand der Regierungsreform

06.10.2005 · Bertelsmann Forschungsgruppe Politik



Serbiens Regierung steht vor zahlreichen schwierigen Entscheidungen mit langfristigen Konsequenzen für ihr Land, den Balkan und Europa: Verhandlungen über den Status von Kosovo, die Zukunft des gemeinsamen Staates mit Montenegro sowie das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten; die Annahme einer neuen Verfassung, die mit dem Erbe Milosevics bricht; Reformen des Justizwesens und der Rentenversicherung sowie die Umstrukturierung und Privatisierung großer Unternehmen im öffentlichen Eigentum.


Teilnehmer des Workshops

Die politische Nachhaltigkeit dieser Entscheidungen und Reformen hängt davon ab, ob Serbiens Exekutive strategisch aufgestellt ist, das heißt über die Kapazität verfügt, Entwicklungen zu antizipieren, gemeinwohlorientierte Ziele zu verfolgen, fachliche Rationalitätskriterien zu respektieren und eine langfristige Orientierung jenseits kurzsichtier wahlpolitischer Kalküle aufrechtzuerhalten.

Um die Regierungsführung in Serbien zu analysieren und Reformen der Regierungsarbeit zu diskutieren, veranstalteten die Bertelsmann Stiftung, das Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) und das Center for Liberal-Democratic Studies (CLDS) einen Experten-Workshop in Belgrad am 30. September und 1. Oktober 2005. Als Teil des Transformationsprojektes bot der Workshop Gelegenheit zum Austausch zwischen internationalen und einheimischen Praktikern und Wissenschaftlern. Ziel war, die transnationale Verbreitung guter Regierungspraxis zu fördern. Zu den Teilnehmern gehörten Miodrag Djurkovic, der ehemalige Berater des serbischen Ministerpräsidentent Kostunica, Sorin Ionita, Direktor des rumänischen Think Tanks Romanian Academic Society und Prof. Dr. István Stumpf, ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident und Kanzleramtschef Ungarns.


Prof. Dr. István Stumpf und Martin Brusis, C·A·P.

Drei Papiere wurden vom C·A·P und CLDS für den Workshop erarbeitet. Die Studien analysieren den Stand der Regierungsreform und vergleichen die serbische Reform mit anderen ostmittel- und südosteuropäischen Reformpfaden. Die Praxis exekutiver Politikkoordinierung und strategischer Beratungsaktivitäten wird im Detail untersucht. Alle Papiere werden in Kürze auf dieser Website verfügbar sein.

Angesichts ihrer unsicheren parlamentarischen Mehrheit konnte die gegenwärtige serbische Regierung unter Führung von Vojislav Kostunica bemerkenswerte Fortschritte in der Verwaltungsreform machen. Ein Gesetz über die interne Organisation der Regierung wurde im Juni 2005 beschlossen; Gesetze über die Staatsverwaltung und die Beamten wurden am 15. September beschlossen; neue Verordnungen über die Regierungszentrale und die persönlichen Beraterkabinette des Ministerpräsidenten und stellvertretenden Ministerpräsidenten versuchen die strategische Kapazität der Kernexekutive zu stärken.

Die Diskussionen im Workshop belegten jedoch auch, dass Serbiens Regierungskabinett kein Ort strategischen Entscheidens ist. Informelle Koordinierung dominiert, individuelle Ministerien können ihre Interessen gegen die gemeinsamen Prioritäten der Regierung durchsetzen und der Zugriff auf strategische Expertise ist begrenzt und weitgehend abgekoppelt vom Entscheidungsprozess. Diese Schwachpunkte sind nur schwer zu beseitigen, da sie in vielschichtigen Verantwortlichkeitsproblemen wurzeln, die die Beziehungen zwischen Ministern und Regierungskabinett, Regierung und Parlament sowie Regierung und Öffentlichkeit plagen.

Die Tagung unterstrich, dass Regierungskapazität eng mit funktionierenden Mechanismen der Kontrolle und Rechenschaftslegung verbunden ist. Strategische Kapazität kann nicht nur dadurch entwickelt werden, dass man die Regierungszentrale ausbaut, sondern bedarf auch wirksamerer Verantwortlichkeitsmechanismen. Die zukünftige Projektarbeit zielt darauf, diesen Zusammenhang zu stärken und ein größeres öffentliches Problembewusstsein für die Schwächen strategischer Regierungsführung in Serbien zu wecken.


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