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Perspektiven der EU-Erweiterung: die Frage des Türkeibeitritts

Forschungskolloquium mit Sylvie Goulard

Sylvie Goulard beriet Roman Prodi während seiner Amtszeit als Präsident der Europäischen Kommission und lehrt heute am Institut d'Etudes Politiques in Paris sowie am College d'Europe in Brügge.

09.12.2004 · C·A·P



Am 17. Dezember entscheidet der Rat der Europäischen Union über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Nach der Verleihung des Kandidatenstatus 1999 und der positiven Empfehlung der Kommission im Oktober diesen Jahres ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die EU in Verhandlungen mit der Türkei eintreten wird. Je näher der 17. Dezember rückt, desto heftiger werden die Debatten, ob die Türkei nun zu Europa gehört oder eben nicht. Dass sich hinter dieser Frage sehr viel mehr verbirgt, wurde in der Diskussion mit Sylvie Goulard am C·A·P deutlich. Goulard, die zum Beraterstab der Prodi-Kommission gehörte und aktuell am Institut d'Etudes Politiques in Paris sowie am College d'Europe in Brügge lehrt, betrachtet bereits diese öffentliche Auseinandersetzung an sich äußerst positiv. Denn nach Ansicht der französischen Politikwissenschaftlerin wirft die Diskussion um den Beitritt der Türkei zugleich die Frage nach der demokratischen Legitimation von Entscheidungen in der Europäischen Union auf. So sei zum Beispiel die Beitrittsrunde vom Mai 2004 nicht ausreichend in der Öffentlichkeit thematisiert und damit nicht genügend demokratisch legitimiert worden. Dass die Befürworter der Formel "Keine Erweiterung ohne Vertiefung" über die aktuellen Fortschritte des Projekts Europa enttäuscht sind, dürfe nicht verwundern. Falls tatsächlich Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden, hält Goulard es durchaus für möglich, dass die EU die "Rechnung" in Form eines Neins der französischen Bevölkerung zur Verfassung bekommt.

Sylvie Goulard sprach sich daher dafür aus, die Probleme eines Beitritts der Türkei zur EU nicht bei Seite zu schieben. Fragen, die es sich Goulard zufolge zu stellen lohnt, sind die nach den Gemeinsamkeiten der EU-Mitgliedstaaten und der Türkei sowie nach der Finalität der Union. Aus ihrer Erfahrung als Beraterin der Kommission wies sie darauf hin, dass die Vergrößerung der EU nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich sei. Eine weitere Erweiterung gefährde die Gemeinschaftspolitiken und führe zu Finanzierungsproblemen. "Europa" dürfe nicht auf eine Strategie reduziert werden. Goulard nahm jedoch nicht nur eine kritische Position gegenüber dem eventuellen EU-Beitritt der Türkei ein, sondern auch zu der darum geführten Debatte. Sie warnte in diesem Zusammenhang vor allem vor einer Instrumentalisierung der Religion. Hier handle es sich um einen Diskussionspunkt, bei dem gerade Deutschland und Frankreich völlig unterschiedliche Standpunkte vertreten. Während die Bundesrepublik den Beitritt der Türkei befürworte, um so eine Brücke zum Islam zu bauen, sei Frankreich nur zur Aufnahme einer säkularisierten Türkei bereit. Daneben stellte die Politikwissenschaftlerin auch die Unüberlegtheit einzelner Vorschläge in Bezug auf die Türkei heraus. Stellt zum Beispiel die Einschränkung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus der Türkei nicht letztlich Rassismus gegegenüber der türkischen Bevölkerung dar? Die Interessendivergenzen zwischen Frankreich und Deutschland im Hinblick auf die Türkei als islamisches Land, die Unausgereiftheit der Konzepte – für Sylvie Goulard Beweise, wie groß der Diskussionsbedarf im Hinblick auf einen möglichen Beitritt der Türkei zur EU noch immer ist.


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